Struktur und Zuständigkeiten bei Dell Technologies EMC/Dell-Fusion: Noch viele Unklarheiten im Detail

Autor / Redakteur: Ariane Rüdiger* / Rainer Graefen

Die Fusion von EMC und Dell steht, doch das Schicksal diverser Produkte, gerade aus dem Server-Bereich und bei konvergenten respektive hyperkonvergenten Infrastrukturen, ist noch unklar.

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Die Struktur von Dell und EMC nach der Fusion.
Die Struktur von Dell und EMC nach der Fusion.
(Bild: Dell Technologies)

Rund 1.000 Besucher waren laut Mario Haas, President und Chief Commercial Officer bei Dell EMC zur ersten gemeinsamen Veranstaltung des Unternehmens, das nun endgültig fusionieren darf, nach Mainz gekommen.

Die Fusion soll im Februar in Kraft treten, das gemeinschaftliche Unternehmen heißt dann Dell Technologies und wird wie eine Holding funktionieren. Ein Geschäftsbereich ist die Dell Inc. mit drei Geschäftszweigen:

  • 1. die vornehmlich von Dell bestückte Client Solutions Group, die von Dell-Mann Jeff Clark geführt wird
  • 2. die Infrastructure Solutions Group unter Leitung von EMC-Mann David Goulden, zu der auch der Sicherheitsspezialist RSA und der Cloud-Service-Anbieter Virtustream gehören - Beide werden vollständig integriert.
  • 3. Global Services, wo alle kundenbezogenen Servicebereiche beider Firmen vereinheitlicht werden, unter Leitung von Howard Elias - Die Gruppe übernimmt Installation, Wartung und Consulting, letzteres allerdings nur hinsichtlich konkreter Lösungen für die Kunden. Cloud-Services-Geschäft à la IBM Global Services sei hier nicht geplant, hieß es, dafür sei die Cloud-Akquise Virtustream zuständig.

Bisher waren Pivotal, Secureworks und VMware Federation Partner, jetzt werden sie zu "Strategically Alligned Businesses".
Bisher waren Pivotal, Secureworks und VMware Federation Partner, jetzt werden sie zu "Strategically Alligned Businesses".
(Bild: Dell Technologies)

Die Primärpartner

Gleichgeordnet neben Dell Inc. stehen drei Firmen, die bisher als Federation Partner betrachtet wurden: Pivotal, Secureworks und VMware werden jetzt unter der Bezeichnung Strategically Alligned Businesses geführt. Diese Firmen werden ihre jetzige Rechtsform nach derzeitiger Planung behalten. VMware bleibt an der Börse und Gelsinger werde das Unternehmen weiter führen, hieß es hinsichtlich immer wieder aufflammender Gerüchte über dessen baldigem Abschied vom Virtualisierungs-Marktführer.

Diese strategischen Partner agieren selbständiger als die voll integrierten Töchter. Sie dürfen ihr geistiges Eigentum zum Beispiel auch in Lösungen mit Drittanbietern einbringen, selbst wenn diese mit Dell Technologies konkurrieren. Wie Michael Zastrow berichtet, derzeit für den strategischen Vertrieb der zukünftigen Dell Technologies Deutschland zuständig, scheint das durchaus den Interessen der Kunden zu entsprechen. "Es gibt große Kunden, die eine volle Integration von Pivotal nicht tolerieren würden", sagte er im Gespräch mit Datacenter Insider.

Konvergente und hyperkonvergente Systeme

Die konvergenten Infrastrukturen in allen fünf Ausprägungen wurden im Übrigen weltweit unter Leitung von Chad Zakac zu einem neuen Unterbereich zusammengefasst. Volker Wenzel, in Deutschland als Manager Presales, VCE Technology Solution GmbH (Dell EMC | Converged Platforms and Solutions Division (CPSD) tätig, betonte: „Wir haben jetzt fünf Delivery-Varianten für konvergente Lösungen unter einem Dach.“

Die unter Chad Sakac neu gegründete Converged Platform & Solution Division (CPSD) vereint die vorhandenen Angebote der Dell, EMC und VCE im Portfolio integrierter Stacks und Systeme. Vier Säulen sind die im Markt bekannten Bundles sowie validierte Lösungen der Dell Inc., die Referenzarchitekturen der EMC und die konvergenten und hyperkonvergenten "Engineered Systems" (Vblock, VxBlock, Vxrack Flex und Vxrail) der VCE und Dell (XC).

Cisco bleibt weiter strategischer Technologie & Businesspartner und ist im Portfolio für Block basierte „Engineered Systems“ als Hersteller von „UCS“ und „Compute Fabric“, sowie von ToR Ethernet Switches. Die Option für SDN auf Basis „Cisco ACI“ besteht für das Block- und Rack-Portfolio.

Eine weitere fünfte Säule umfasst Produkte, die bisher als "EMC Federated Solutions" (EHC, FBDL, NHC, FEUC) vermarktet wurden sowie das wachsende Portfolio "Hybrider Cloud Plattformen".

Hier verschmelzen Engineered Systems und vorhandene Federated Solutions mit den Lösungspaketen der "Strategically Aligned Businesses" VMware (SDDC incl. NSX), Pivotal (CF) und Secureworks sowie der neu formierten Dell Inc. zu Komplettlösungen mit folgenden Wertmerkmalen:

  • als Komplettlösung (Hard + Software + Services + Dokumentation, Schulungspakete ..) entwickelt
  • ab Werk integriert, komplett getestet, ausgeliefert und vor Ort in Betrieb genommen und an den Kunden übergeben (Turn Key)
  • als Komplettlösung zentral administrierbar / in den Bestand leicht integrierbar
  • über den Lifecycle ganzheitlich weiterentwickelt (Software Releases + kompatible Hardware Neuerungen) und zertifiziert
  • über den Lifecycle aus einer Hand supported

"Der Kauftrend und somit das Marktsegment für Engineered Systems und Turn-Key-Komplettlösungen wächst beständig stark", sagt Wenzel

Die neuen Zuständigkeiten im Konzern.
Die neuen Zuständigkeiten im Konzern.
(Bild: Dell Technologies)

Besonders wichtig soll laut Dinko Eror in Zukunft VMwares Netzvirtualisierungstechnologie "NSX" werden, daneben RSA, Pivotal und Virtustream, also der Cloud-Service-Arm der EMC. Eror: "Mit NSX wird man künftig Workloads mitsamt ihrer IP-Adresse auch über die Grenzen von Clouds und Rechenzentren hinweg verschieben können." Was Produktankündigungen anging, möge man diesbezüglich auf die nahende europäische VMworld in Barcelona und die Dell/EMC-World, die demnächst in Austin/Texas stattfindet, warten.

Immerhin aber ließ sich Eror auf der Bühne publikumswirksamen einen noch nicht auf dem Markt befindlichen superdünnen Convertible mit einer auf den Rücken des Geräts klappbaren Tastatur überreichen. Das Gerät soll Anfang nächsten Jahres auf den Markt kommen.

Gemeinsame Spitze

Die deutschen Geschäfte führen zukünftig gemeinsam die bisherige Dell-Deutschland-Chefin Doris Albiez und EMC-Deutschland-Chef Dinko Eror. Sie sind auch auf oberster Ebene für die Kunden-bezogenen Vertriebsaktivitäten zuständig: Jeder Kunde wird zukünftig entweder dem Enterprise- oder dem Commercial/Public-Segment zugeschlagen. Eror führt den Enterprise-Vertrieb, der sich in Deutschland auf etwa 100 Firmen beziehen dürfte, für den umfangreichen "Rest" ist Albiez zuständig.

In den Produkten des vereinigten Unternehmens und in der Realität der Anwender werde alte und neue Infrastruktur noch lange nebeneinander existieren, erläutert Brian Gallagher, President Cloud Management Group bei Dell EMC.
In den Produkten des vereinigten Unternehmens und in der Realität der Anwender werde alte und neue Infrastruktur noch lange nebeneinander existieren, erläutert Brian Gallagher, President Cloud Management Group bei Dell EMC.
(Bild: Ariane Rüdiger)

Daneben gibt es fachlich spezialisierte Vertriebseinheiten, etwa für konvergente Infrastrukturen, die jeweils den für den Kunden zuständigem Mitarbeiter zuarbeiten. Der Channel-Verantwortliche, der ja häufig das kleinere Kundensegment betreut, berichtet an den Commercial-Bereich.

Das integrierte Channel-Programm, das entstehen soll, wird ebenfalls im Februar fertig sein. Eventuelle Doppelbesetzungen im Vertrieb sollen nicht durch Entlassungen beantwortet werden, stattdessen wolle man die Kenntnisse der betroffenen Mitarbeiter diversifizieren, so Wenzel.

Herausforderungen und Unklarheiten

Wie oben schon angedeutet, gibt es auch bei EMC/Dell wie immer bei Fusionsprozessen einige Unklarheiten und Herausforderungen. So seien die Prozesse der beiden Firmen nicht durchgängig kompatibel, hier müsse man in den nächsten Monaten Lösungen finden, berichtet Eror. Hinsichtlich der Unternehmenskulturen gebe es dagegen kaum Probleme: "Beide Firmen stellen den Kunden in den Mittelpunkt und bemühen sich um große Flexibilität", betont Eror.

Es könnte durchaus sein, dass einige bewährte Geschäftsbeziehungen zu Kooperationspartnern in Zukunft in Frage stehen, auch wenn das kein Manager bestätigen möchte. Die Dell-Kooperation mit Nutanix beispielsweise ist so ein Fall. Denn immerhin hat die Dell Technologies nun mit "Vxrails" ein eigenes Hyperkonvergenz-Produkt. Zwar bestreitet das Hyperkonvergenz-Chef Chad Sakac vorsorglich in seinem Blog, doch darf man bei aller Wahlfreiheit der Kunden wohl mittelfristig davon ausgehen, dass der EMC/Dell-Presales lieber die eigenen Lösungen empfiehlt.

Rund 1.000 Besucher fanden sind auf dem Dell/EMC Forum in der Rheingoldhalle Mainz ein.
Rund 1.000 Besucher fanden sind auf dem Dell/EMC Forum in der Rheingoldhalle Mainz ein.
(Bild: Dell Technologies)

Für Cisco gilt das weniger: Auch in Zukunft dürften die Anwender gern auf Cisco setzen, die eine Cisco-Netzwerkinfrastruktur nutzen oder SDN (Software Defined Networking) in einem Cisco-Flavour verwenden. Denn Cisco integriert seine "ACI"-Technologie, die Durchgängigkeit zu den höheren Anwendungsebenen eines Software-definierten Netzes schafft, zwar in eigene Produkte, nicht aber in solche anderer Firmen. Deren Hersteller müssen sie im Zweifel lizenzieren.

Im Übrigen bringt Dell, das vor einigen Jahren den Netzwerkspezialisten Force10 eingekauft hatte, ja durchaus auch bei Netzwerken Know-how mit, und man darf gespannt sein, wie es in Zukunft umgesetzt wird. Dells Speicherprodukte dürften in Zukunft keine große Rolle spielen, wohl aber die Integrationsplattform "Dell Boomi".

Das Geschäft

Über die wichtigsten Kennzahlen der vereinigten Firma gibt es immerhin verlässliche Informationen. Sein Umsatz wird etwa 74 Milliarden Dollar betragen, es hat 140.000 sogenannte Team Members (vulgo: Mitarbeiter) in 180 Ländern, und über 30.000 davon kümmern sich um den Kundendienst.

EMC und Dell halten zusammen genommen rund 20.000 angemeldete Patente und haben in den vergangenen drei Jahren 12,7 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung gesteckt.

Inhaltlich fokussiert sich Dell Technologies auf IT-Modernisierung, Workforce- und Security-Transformation, Cloud und Analytik. Für alle diese Bereiche sollen End-to-End-Lösungen entstehen, die dem Kunden aber die freie Wahl der Komponenten lassen.

* Ariane Rüdiger ist freie Journalistin und lebt in München.

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