„Bundesregierung muss jetzt reagieren“ EuGH muss über Vorratsdatenspeicherung entscheiden
Der Münchener Internet-Service-Provider SpaceNet AG klagt seit April 2016 bisher erfolgreich gegen die von der Bundesregierung vorgesehene Vorratsdatenspeicherung. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig das Verfahren (Az.: 6 C 12.18) ausgesetzt und die Entscheidung dem obersten rechtsprechenden Organ der Europäischen Union (EU) vorgelegt.
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Nun sollen die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) entscheiden, ob die deutsche Regelung, die eine anlasslose und flächendeckende Speicherpflicht von Verkehrs- und Standortdaten aller Nutzer vorsieht, mit der EU-Grundrechte-Charta vereinbar ist. Erst danach wird es Rechtssicherheit für die Internet- und Telekommunikationsbranche geben. Die SpaceNet AG, die zusammen mit dem eco-Verband als Vertreter der Internetwirtschaft und Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Universität Mainz gegen die Vorratsdatenspeicherung gerichtlich vorgeht, will eine Grundsatzentscheidung gegen das umstrittene Überwachungsinstrument herbeiführen und dieses endgültig stoppen.
Verstoß gegen europäische Grundrechte
Den gesetzlichen Regelungen zufolge müssen Internetprovider, Mobilfunk- und Kommunikationsunternehmen alle Standortdaten vier Wochen sowie alle Verbindungsdaten ihrer Kunden zehn Wochen lang anlasslos auf Vorrat speichern und diese an Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendienste auf Verlangen übergeben.
Aufgrund ihrer tiefgreifenden Grundrechtseingriffe ist die Vorratsdatenspeicherung äußerst umstritten. Gleichzeitig konnte der tatsächliche Nutzen zur Verbrechensbekämpfung bislang nicht belegt werden. Schon im Dezember 2016 hatte EuGH zur schwedischen und englischen Vorratsdatenspeicherung geurteilt, dass das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens verlangt, die Speicherung personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige zu beschränken.
Zuletzt waren die deutschen Klagenden vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln erfolgreich: Es entschied am 20. April 2018, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Die Bundesrepublik, vertreten durch die Bundesnetzagentur, hatte gegen die Entscheidung des VG Köln Sprungrevision eingelegt. Die SpaceNet teilt das Interesse an Rechtssicherheit über eine höchstrichterliche Entscheidung und hatte daher der Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugestimmt.
Die Leipziger Richter haben jetzt am 25. September entschieden, dem EuGH eine Frage zur Auslegung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) vorzulegen. Davon hängt dann die Anwendbarkeit der Vorratsdatenspeicherung ab. Bis zur Entscheidung der Luxemburger Richter ist das Revisionsverfahren ausgesetzt. Das gleiche gilt bis zur endgültigen Klärung für die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung.
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„Wir sind sehr zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens und über das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das oberste Ziel dieser Klage war immer, insbesondere durch die Vorlage grundlegender Rechtsfragen eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, die in letzter Konsequenz nur der EuGH treffen kann, und so kommt es nun auch. Spätestens jetzt müsste auch die Bundesregierung reagieren und ein klares politisches Zeichen gegen die Vorratsdatenspeicherung setzen“, fordert Oliver J. Süme, eco Vorstandsvorsitzender.
Auch Sebastian von Bomhard, Vorstand des klagenden Unternehmens SpaceNet AG, sieht die Position seiner Firma bestätigt. „Bei solch massiven Eingriffen in bürgerliche Grundrechte, vor allem im Digitalen, waren wir schon immer wachsam und haben eindeutig Stellung bezogen, um unsere Kunden zu schützen.“ Es sei jetzt an der Zeit, dass unter das leidige Thema Vorratsdatenspeicherung ein Schlusspunkt gesetzt werde. „Mit der anlasslosen Speicherung von Daten aller Nutzer kann man zwar Bürger ausspähen, aber sicher keine Terroristen fangen.“ Von Bomhard freut sich daher über das Urteil, „das uns ein Stück näher zur Rechtssicherheit gebracht hat, die wir als Unternehmen so dringend benötigen.“
Prozessbevollmächtigter Prof. Dr. Matthias Bäcker ist zudem zuversichtlich, dass das EuGH gegen die Vorratsdatenspeicherung entscheiden wird: „Eine nationale Regelung, die eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung vorsieht, ist unzulässig. Aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten könnten nämlich sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben von Personen gezogen werden.“ Der EuGH werde der Vorratsdatenspeicherung erneut eine Absage erteilen, erklärt Prof. Bäcker.
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