Offizieller Standard steht noch aus Hilfe für überfüllte WLANs: Erste Chips unterstützen alle 802.11ax-Funktionen

Autor / Redakteur: Michael Eckstein / Rainer Graefen

Neue Funkchips von Marvell sollen bidirektionale Multi-Gigabit-Verbindungen mit mehreren Clients, hohe Netzwerkeffizienz und geringe Latenzen ermöglichen – und WLANs so fit für die Zukunft machen.

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Generation Upload: Das veränderte Nutzungsverhalten stellt hohe Anforderungen an WLAN-Infrastrukturen. Marvell bringt erste Funkchips, die den neuen 802.11ax-Standard umfassend unterstützen.
Generation Upload: Das veränderte Nutzungsverhalten stellt hohe Anforderungen an WLAN-Infrastrukturen. Marvell bringt erste Funkchips, die den neuen 802.11ax-Standard umfassend unterstützen.
(Bild: Marvell)

Es wird eng: Die Zahl drahtlos vernetzter Geräte nimmt rasant zu. Ein durchschnittlicher Haushalt wird 2022 voraussichtlich über rund 50 „connected devices“ verfügen, schätzt Marktforscher GSMA. Darunter Smart-Home- und mobile Endgeräte, aber auch drahtlos angebundene Set-Top-Boxen. Gleichzeitig ändert sich das Nutzerverhalten: Statt primär zu konsumieren, also Inhalte herunterzuladen, erzeugt die „Generation Upload“ selbst Unmengen an Informationen und teilt diese mit ihrem Umfeld. Dafür erwartet sie schnelle Verbindungen.

Live-Streaming-Video, Social Media, Cloud-Nutzung, Virtual und Augmented Reality – all diese Anwendungen haben Auswirkungen auf das Funk-Ökosystem: Verfügbare Frequenzbänder werden immer stärker ausgelastet. Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit drahtloser Verbindungen aufrechtzuerhalten, wird komplizierter.

„Der aktuelle 802.11ac-Standard ist damit längst überfordert“, sagt Prabhu Lowganathan, Senior Director of Marketing von Marvell, im Gespräch mit ELEKTRONIKPRAXIS. „Daher feilen Unternehmen und Gremien seit Jahren an Nachfolgern wie 802.11ad, -ay-, -ah und -ax.“ Letzter soll besonders gut dafür geeignet sein, mehrere Geräte von einem Punkt aus zu versorgen.

"Neue Marvell-SoCs unterstützen alle 802.11ax-Funktionen"

Obwohl der neue WLAN-Standard 802.11ax voraussichtlich erst 2019 ratifiziert werden wird, sind seine Eckdaten weitgehend definiert. Halbleiterhersteller arbeiten längst an Chips, die das Entwickeln von Infrastruktur- und Endgeräten ermöglichen. Broadcom, Qualcomm und Quantenna haben vorgelegt und zum Teil schon Anfang des Jahres Chips angekündigt, die den neuen ax-Standard unterstützen. Nun hat Funkspezialist Marvell nachgezogen und ein umfassendes Portfolio an ICs vorgestellt, die die zukünftige schnelle WLAN-Technik infrastrukturseitig unterstützen.

„Als erster Hersteller liefern wir Lösungen, die den ax-Standard vollständig unterstützen – inklusive MU-MIMO- und OFDMA-Uplinks und -Downlinks“, sagt Mark Montierth, Vice President and General Manager von Marvell. Bereits seit Anfang des Jahres seien eigene ax-Chips zum Eindesignen bei Kunden, „und die Rückmeldungen sind sehr positiv.“ Montierth erwartet, dass die Hersteller ihre ax-Produkte ab dem zweiten Quartal 2018 in Stückzahlen auf dem weltweiten Markt verkaufen werden.

„Wir haben das heutige und zukünftige Nutzungsverhalten analysiert und unsere Lösungen gezielt dafür entwickelt“, erklärt Lowganathan. Das würde Marvell von Wettbewerbern unterscheiden, die sehr früh ax-Chips mit grundlegenden ax-Funktionen angekündigt haben – mit der Aussicht für Kunden, später weitere Funktionen hinzuzufügen.

Drei Anwendungsszenarien im Fokus

Marvell hat seine Chips auf drei unterschiedliche Anwendungsszenarien ausgerichtet: Der 88W9068 ist nach Angaben von Marvell für Premium-Access-Points, der 88W9064 für Mainstream-Access-Points in Unternehmen und bei Endkunden, für Carrier-Gateways und ortsfeste Funkdienste optimiert. Dritter Chip im Bunde ist der 88W9064S. Er zielt auf den Service-Provider- und OTT-Set-Top-Box-Markt und ist als einziger für Clients gedacht. Für die Integration in Smartphones und andere Mobilgeräte ist er allerdings nicht geeignet.

„Die neuen Anforderungen erfordern eine höhere Netzwerkeffizienz und mehr Bandbreite – und dafür ist unter anderem der Einsatz neuer, komplexerer Modulations-Verfahren nötig, die die Frequenzbänder besser ausnutzen und mehr Bandbreite bereitstellen“, erklärt Lowganathan. Daher verwenden die Marvell- Chips das 1024-QAM-Modulationsverfahren und erreichen damit eine große Modulationstiefe.

Ein weiterer Vorteil: „Mithilfe des neuen Modulationsverfahrens konnten wir die Round-Trip-Zeiten der Verbindungen – und damit die Netzwerklatenz – deutlich reduzieren“, erläutert Lowganathan. Die Folge: Apps würden viel schneller reagieren, was eine bessere Anwendererfahrung ermöglichen soll.

Viele Clients mit Multi-Gigabit-Tempo versorgen

Version 88W9068 unterstützt die 8x8-Antennenkonfigurtation im 5-GHz-Band und erreicht Bruttodatenraten von 4,8 GBit/s. Der 88W9064-Chip funkt im 5-GHz- und im 2,4-GHz-Band, ist für eine 4x4-Konfiguration ausgelegt und erreicht 2,4 GBit/s. Zum Vergleich: Im aktuellen ac-Standard nutzen selbst große Clients die 2x2-Konfiguration, mobile Endgeräte beschränken sich auf 1x1. Da die Marvell-ICs MU-MIMO unterstützen, können sie vier bis acht solcher Clients simultan mit voller Geschwindigkeit versorgen.

Darüber hinaus haben zwei der drei Chips das neue Bluetooth 5 integriert und ermöglichen eine präzise Lokalisierung von Clients auch innerhalb von Gebäuden. „Wir erreichen Genauigkeiten von rund einem Meter in vermaschten Netzen“, sagt Lowganathan. „Das ermöglicht ganz neue Location based Services, beispielsweise für zielgerichtete Werbung in Kaufhäusern oder Hinweise in Flughäfen.“

Bidirektionale MU-MIMO-Übertragung

Im Gegensatz zu konkurrierenden neuen WLAN-Standards wie 802.11ad und ay ist die ax-Variante dafür ausgelegt, viele Nutzer gleichzeitig und zuverlässig mit schnellen Drahtlosverbindungen zu versorgen. Damit ist die Technik gut zum Beispiel für Hotspots geeignet. ad und ay hingegen zielen darauf ab, wenige Verbindungen auf kurzen Distanzen mit bis zu 30 GBit/s zu etablieren.

Im ax-Standard sorgen verschiedene Mechanismen dafür, Störungen durch benachbarte WLANs besser zu unterdrücken. Eine verbesserte Fehlerkorrektur hilft, das vorhandene Frequenzspektrum weitgehend auszunutzen. Diese und andere Maßnahmen sollen helfen, die Übertragungsgeschwindigkeit pro Gerät um mindestens das Vierfache gegenüber dem Vorgängerstandard ac zu erhöhen – ideal für Funknetze in Hotels, Flughäfen, Einkaufszentren oder Stadtgebieten.

ax stellt eine weitere Neuerung bereit: Multi-User MIMO (MU-MIMO) funktioniert bidirektional, also auch vom Client zum Access Point beziehungsweise Router. Beim älteren ac-Standard kann nur der Router diese Technik anwenden. Dynamic Sensitivity Control sorgt zudem dafür, dass mehrere WLAN-Clients gleichzeitig über denselben Funkkanal an unterschiedliche Router senden können. Bislang ist das nicht möglich, da ein Client einen Funkkanal vollständig für sich beansprucht.

Schnelle Ethernet-Anbindung erforderlich

Die möglichen hohen Datenraten im Funknetz fordern auf der Anbindungsseite ihren Tribut. Übliche Gigabit-Ethernet-(GbE)-Verbindungen sind schon mit einer 2x2-Konfiguration nahezu ausgelastet. Je nach anvisierter Applikation sind daher Anbindungen mit 2,5 GbE, 5 GbE oder auch 10 GbE sinnvoll.

Hier gibt sich die Marvell-Lösung flexibel. Die ax-WLAN-Chips arbeiten sowohl mit CPUs und PHYs aus dem eigenen Portfolio zusammen, als auch mit Bausteinen anderer Hersteller. „Wir stimmen uns mit anderen Anbietern ab, um sicherzustellen, dass unsere Lösungen vollständig mit ihren Produkten zusammenarbeiten“, erklärt Lowganathan.

* Diesen Beitrag haben wir von unserem Partnerportal Elektronikpraxis übernommen.

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