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Tiefrote Bilanz durch Umsatzrückgang, Kosten für Personal-Abbau und Sonderabschreibungen HP schreibt Rekordverlust von 8,9 Milliarden Dollar

Autor / Redakteur: IT-BUSINESS / Harry Jacob / Harald Jacob

Im abgelaufenen Quartal hat HP Sonderbelastungen von fast 10 Milliarden Dollar verbucht. Im operativen Geschäft schreibt das Unternehmen zwar schwarze Zahlen, muss aber einen Rückgang vermelden. CEO Meg Whitman erläutert, wie sie den Konzern aus der Krise führen will.

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HP-Chefin Meg Whitman hat mit dem Umbau des Konzerns noch viel Arbeit vor sich.
HP-Chefin Meg Whitman hat mit dem Umbau des Konzerns noch viel Arbeit vor sich.

Die HP-Chefin sagt es immer wieder: „Wir kommen gut voran“. Sie meint dabei den Umbau des Konzerns, den sie angestoßen hat, seit sie vor einem knappen Jahr das Ruder bei HP übernommen hat. An vielen verschiedenen Stellen wird umgebaut, und nicht überall werden die Ziele gleichermaßen erreicht.

Deshalb gesteht Meg Whitman auch ein großes „Aber“ ein: An manchen Stellen hapert es eben mit der Umsetzung der großen Pläne. Dazu kommt die Schwäche des Marktes und ein aggressiver Wettbewerb. Alles zusammen führte im abgelaufenen Geschäftsquartal, das am 31. Juli endete, zu einem Rekordverlust von 8,9 Milliarden Dollar.

Fehler aus der Vergangenheit bereinigt

Die größten Belastungen für die Quartalsbilanz ergeben sich allein aus zwei Posten. Zum einen Abschreibungen in Höhe von 9,2 Milliarden Dollar. Acht Milliarden entfallen auf die Service-Tochter EDS, die HP vor vier Jahren gekauft hatte. Die Abschreibung entspricht fast 60 Prozent des damaligen Kaufpreises von 13,9 Milliarden Dollar. Auch auf den Markennamen Compaq – die Übernahme datiert auf das Jahr 2001 – schreibt HP 1,2 Milliarden ab.

Der zweite große Posten sind Abfindungen für ein Vorruhestandsprogramm. Hierfür musste HP 1,8 Milliarden Dollar aufwenden, deutlich mehr als geplant. Denn gerechnet hatte man mit 9.000 Mitarbeitern, die das Unternehmen im Bilanzzeitraum verlassen. Doch viel mehr wollten weg: 11.500 nahmen das Angebot an. Insgesamt soll die Zahl der Mitarbeiter bis zum kommenden Jahr um 27.000 sinken.

PC-Sparte mit Problemen

Der Umsatz im Konzern fiel gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fünf Prozent. Dramatisch ist die Entwicklung der PC-Sparte: dort ging der Umsatz um 10 Prozent zurück, was Whitman hauptsächlich mit einer Schwäche im Consumer-Geschäft begründete (-12 Prozent). Doch auch der Commercial-Bereich verlor 9 Prozent seines Umsatzes. Gleichzeitig ging die Marge um knapp ein Prozent auf 4,7 Prozent zurück Innerhalb der Sparte ist vor allem das Notebook-Segment kritisch, mit einem Minus von 13 Prozent beim Umsatz und 12 Prozent nach Stückzahlen.

Für die kommenden Monate sind weitere Probleme vorprogrammiert. Denn wie HP eingestehen musste, sind in den vergangenen Wochen die Lagerbestände angeschwollen. Gleichzeitig wird in den kommenden Monaten mit sinkenden Verkäufen gerechnet, weil Kunden möglicherweise auf Geräte mit vorinstalliertem Windows 8 warten werden. Das wird es schwierig machen, die Lagerbestände schnell wieder abzubauen.

Lesen Sie auf den folgenden Seiten weitere Details zu den Kennzahlen und welche Maßnahmen Meg Whitman jetzt angehen will

Weitere Umsatzrückgänge

In der Service-Sparte ging der Umsatz um drei Prozent zurück. Sie ist nun nicht nur nach Gewinn, sondern auch nach Umsatz das größte Segment innerhalb des Konzerns. Zwar steht die Service-Sparte im Fokus der Konzern-Strategie, aber ihre führende Rolle sollte durch überproportionales Wachstum erreicht werden – nicht dadurch, dass andere Sparten schneller schrumpfen.

Die Druckersparte IPG, die inzwischen mit der PC-Sparte langsam verschmilzt, musste ebenfalls einen Rückgang von drei Prozent beim Umsatz verkraften, konnte aber immerhin die Marge deutlich verbessern, auf nun 15,8 Prozent.

Die Consumer-Hardware erlitt einen Einbruch um 23 Prozent nach Stückzahlen, trägt aber nur noch 9 Prozent zum IPG-Umsatz bei. Bei der Commercial-Hardware konnten dagegen vier Prozent mehr Geräte abgesetzt werden.

Beim Supply, der zwei Drittel des Umsatzes ausmacht, ging es hingegen ebenfalls um 3 Prozent nach unten. Und wie bei der PC-Sparte sind diese Zahlen eigentlich noch besser als die Realität, denn verkauft wurde zum Teil nicht an den Kunden, sondern nur in die Lager des Channels. Eine große Image-Kampagne soll nun die Qualität von HP-Toner und -Tinte ins Bewusstsein der Verbraucher rücken und dazu beitragen, überbordende Lagerbestände wieder abzubauen.

Licht und Schatten bei ESSN und Software

Die Enterprise-Sparte liegt beim Vorjahresvergleich sogar vier Prozentpunkte im Minus. Besonders schlecht lief es in der Abteilung Business Critical Systems (-16 Prozent), während Networking sogar um sechs Punkte zulegen konnte. Ein Lichtblick ist auch die Software-Sparte, die den Umsatz um 18 Prozent steigern konnte. Sie trägt aber nur drei Prozent zum Gesamtumsatz bei. Innerhalb der Software-Sparte legten die Services um um 65 Prozent zu, der Support, der rund die Hälfte des Bereichs ausmacht, wuchs um 16 Prozent, das Lizenzgeschäft dagegen nur um magere 2 Prozent.

Whitman gesteht Fehler ein

Mehrfach gab Meg Whitman zu, dass es an der Umsetzung der Umbaupläne hapert und die schwierige Lage des Konzerns zumindest zum Teil auf Versäumnisse im Konzern zurückzuführen sind. Letztere versucht sie mit harter Hand zu korrigieren. So wurde das Management bei EDS ausgetauscht, und auch im Lenovo-Heimatland China wurden neue Verantwortliche installiert um das Geschäft dort wieder anzukurbeln.

Auch beim umstrittenen Zukauf Autonomy hat sie die Zügel angezogen, nachdem die Entwicklung dort deutlich hinter den Planzahlen zurückgebblieben war. Mit engen Vorgaben über zusätzliche Kennzahlen und kurzen Berichtsfristen der Verantwortlichen will sie die Entwicklung künftig im Auge behalten.

Lesen Sie auf der folgenden Seite, wie die Konzern-Chefin die Lage einschätzt und welche neuen Details zum Konzernumbau bekanntgegeben wurden.

Weitere Verwerfungen drohen

Die Konzernchefin sprach offen an, dass es schwierig sei, die Balance zwischen kurz- und langfristigen Anforderungen zu finden. Kurzfristig darf das operative Geschäft nicht zusammenbrechen, für den Umbau, der langfristig HP wieder auf Kurs bringen soll, muss sie aber möglichst viele Ressourcen mobilisieren.

Man habe bereits viel erreicht, so Whitman vor den Analysten, aber es liege auch noch viel Arbeit vor ihr. In den kommenden Monaten und Quartalen könne es daher noch weitere Rückgänge bei Umsatz und Gewinnen in den einzelnen Sparten geben, bis hinein ins Finanzjahr 2013.

Whitman will kämpfen

HP kämpft – wie Dell – mit sinkenden Marktanteilen. Whitman will die Nummer-1-Position aber auf jeden Fall verteidigen.
HP kämpft – wie Dell – mit sinkenden Marktanteilen. Whitman will die Nummer-1-Position aber auf jeden Fall verteidigen.
Trotz alledem versäumte es die HP-Chefin nicht, auch die Erfolge noch einmal deutlich herauszustellen. So habe man beispielsweise den angekündigten Gewinn pro Aktie übertroffen. Die Zusammenlegung von PC- und Druckersparte konnte HP für Kostensenkungen nutzen, die nun Luft verschaffen im harten Preiswettbewerb. Auch HP werde in Zukunft sein Pricing aggressiver gestalten und zusammen „mit dem besten PC-Portfolio, das wie je hatten“, die führende Position im PC-Markt verteidigen.

Das dürfte schwierig werden: Analysten hatten nach den letzten Zahlen die Erwartung geäußert, dass Lenovo im derzeit laufenden Quartal an HP vorbeiziehen wird. Zudem steht den kommenden Produkten – Windows-Tablet, Ultrabooks und Consumer-Convertibles – der hohe Lagerbestand im Weg. Möglicherweise muss HP hier noch einmal viel Geld in die Hand nehmen, um die Bestände loszuwerden. Acer hat in einer vergleichbaren Situation allein in Europa vorigen Sommer 150 Millionen Dollar verbraucht um Lagerware zu verramschen.

Neue Aspekte des Konzernumbaus

Als einen weiteren Aspekt des Konzernumbaus nannte Whitman die Konsolidierung von Forschung und Entwicklung. Sie habe bei einer Überprüfung festgestellt, dass es 166 verschiedene Initiativen gibt, die teilweise nur auf Landesebene tätig sind. Nun werde geprüft, was davon wirklich zur Zukunftsfähigkeit des Konzerns beiträgt. Manches wird wohl dem Rotstift zum Opfer fallen, anderes vielleicht verkauft. Die HP-Chefin will dadurch Ressourcen einsparen, die an anderer Stelle dringender gebraucht werden.

Das steht ganz im Zeichen ihres Credos: „Fokus, Fokus, Fokus!“. HP brauche mehr Fokus, nicht weniger, und müsse sich auf die Dinge konzentrieren, die für die Zukunft wichtig sind. Ähnliches hatte ihr Vorgänger Léo Apotheker im Sinn. Der zog daraus die Konsequenz, WebOS einzustellen und die PC-Sparte zu verkaufen – und verlor darüber seinen Job.

Nun gehört die PC-Sparte zusammen mit der Druckersparte wieder zum Kerngeschäft, WebOS wird möglicherweise an die OpenSource-Gemeinde verschenkt, und im Consumer-Mobile-Geschäft nimmt HP mit einer neugegründeten Mobility-Sparte unter Leitung des Ex-Nokia-Managers Alberto Torres einen neuen Anlauf.

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