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Expertengutachten Verpasst Deutschland den Anschluss bei der Digitalisierung?

Autor / Redakteur: Franz Graser / Rainer Graefen |

Das jährliche Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) stellt der deutschen Politik ein schlechtes Zeugnis aus. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung drohe Deutschland gegenüber anderen Ländern zurückzufallen. Kritisiert wird auch die einseitige Fixierung auf Industrie 4.0.

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Industrie 4.0 ist zu eng gedacht: Die Expertenkommission Forschung und Innovation mahnt eine breite Gesamtstrategie für die Digitalisierung in Deutschland an.
Industrie 4.0 ist zu eng gedacht: Die Expertenkommission Forschung und Innovation mahnt eine breite Gesamtstrategie für die Digitalisierung in Deutschland an.
(Bild: fotohansel/Fotolia)

Das Verdikt der Experten ist eindeutig: „Deutschland hat bisher weder in der klassischen IKT-Branche noch in den neuen, internetbasierten Bereichen der digitalen Wirtschaft besondere Stärken aufbauen können. Die Politik hat es versäumt, gute Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle zu schaffen, sondern eher auf etablierte Strukturen und Modelle gesetzt.“

Insbesondere kritisieren die Experten, dass sich die Bundesregierung zu sehr auf einen relativ kleinen Bereich der Digitalisierung fokussiere, nämlich auf die sogenannte Industrie 4.0 und die industrielle Produktion. Letztlich würden damit nur die vorhandenen Wirtschaftszweige verteidigt. Andere Initiativen wie die „Smart Service Welt“ oder E-Health seien zu sehr eingeschränkt, als dass sie positive Effekte in der Breite erreichen könnten. Dagegen hätten Start-ups, die ambitionierte neue Geschäftsmodelle erprobten, keinen ausreichenden Zugang zu Wagniskapital sowie Wachstumsfinanzierung.

Was Deutschland aus Sicht der Experten fehlt, ist eine digitale Gesamtstrategie. Die viel zitierte „Digitale Agenda“ der Bundesregierung erfülle diesen Anspruch nicht. Insbesondere empfiehlt die Kommission, Kompetenzen im Umgang mit den digitalen Techniken und Geschäftsmodellen in der Breite zu fördern, und zwar in allen Aus- und Weiterbildungssegmenten.

Service-Robotik steht im Schatten der Automobilbranche

Im Bereich Robotik, so konstatiert die EFI, sei Deutschland derzeit noch gut aufgestellt. Das treffe vor allem auf den Bereich Fahrzeugbau zu. Nationen wie die USA, Japan, Südkorea und China sind jedoch auf dem Sprung, vor allem im Segment der Service-Robotik. Die Experten kritisieren dagegen die starke Konzentration des Robotereinsatzes in der Automobilindustrie.

Aus diesem Grund legt die Kommission der Bundesregierung eine explizite Robotikstrategie nahe, wie es sie bereits in anderen Ländern gebe. Im Rahmen dieser Strategie solle die Service-Robotik angemessen gefördert werden, da die dieses Segment immer wichtiger wird. In den Hochschulen müsse die Robotikforschung deutlich stärker betont werden, zudem müsse auch die duale Berufsausbildung auf die stärkere Nutzung von Robotern eingehen.

Mittelstandsförderung – kritisch beleuchtet

Kritisch sieht die Kommission auch die Innovationskraft des Mittelstandes und die staatliche Förderung für Forschung und Entwicklung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). „Während deutsche KMU bei der Häufigkeit der Produkt- oder Prozessinnovationen führend sind, erreichen sie bezüglich der Patentintensität und des Umsatzanteils mit neuen Produkten im europäischen Vergleich einen Platz im Mittelfeld“, heißt es in dem Bericht.

Als größte Hemmnisse für Innovationen im Mittelstand sieht die EFI wirtschaftliche Risiken und zu hohe Innovationskosten sowie den Fachkräftemangel und Probleme bei der Finanzierung.

Die Kommission plädiert deshalb für eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung bei kleinen und mittleren Unternehmen. Darüber hinaus müsse das Land etwas tun, um den Rückgang der Unternehmensgründungen aufzuhalten – durchaus auch durch die Anwerbung von potenziellen Gründern aus dem Ausland. Insbesondere müsse auch die private Finanzierung von Unternehmensgründungen erleichtert werden.

Eine weitere Forderung: Die Struktur der Förderprogramme solle regelmäßig überdacht und daraufhin überprüft werden, inwieweit sie zu kompliziert sind und ob es im Förderangebot Dopplungen gebe.

Dieser negativen Sichtweise möchten sich Praktiker aber nicht anschließen: „Das Thema Mittelstandsförderung funktioniert klasse“, sagte ein Sprecher eines mittelständischen Unternehmensverbunds gegenüber der ELEKTRONIKPRAXIS. Er bezog sich dabei auf das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), das seit vielen Jahren im Bundeswirtschaftsministerium läuft und alleine im vergangenen Jahr 540 Millionen Euro (für 2016 sind wieder 540 Millionen budgetiert) an Fördergeldern für verschiedenste Technikfelder bewilligt hat. ZIM sei „ganz nah an den Marktanforderungen“, so der Sprecher des Verbunds.

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