Die (R)Evolution der Rechenzentren; Teil 1 Wird jedes Rechenzentrum bald zur Private Cloud?
Cloud Computing ist in aller Munde, sogar die Hausfrau repariert im Werbespot Familienfotos in der „Cloud“. Für Unternehmen und Organisationen kann es jedoch besonders attraktiv sein, ihre DV im Sinne einer „Private Cloud“ umzustrukturieren, die die Risiken öffentlicher Cloud-Angebote umschifft. Doch vieles, was heute unter dem Begriff Cloud Computing läuft, weicht von den eigentlichen Kernkonzepten ab und ist häufig schlicht eine Weiterentwicklung konventioneller Arbeitsweisen.
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Die möglichen wirtschaftlichen Vorteile des Cloud Computings bringen Unternehmen angesichts des ständig wachsenden Drucks dazu, ihre DV-Landschaft in Richtung einer „Private Cloud“ weiterzuentwickeln.
Einer Studie des Center for Economic and Business Research Ltd. zufolge hat eine weitreichende Akzeptanz des Cloud Computings das Potenzial, in Zentral-Europa im Zeitraum von 2010 – 2015 kumulative wirtschaftliche Vorteile in Höhe von mehr als 763 Mrd. Euro, davon über 221 Mrd. Euro alleine in Deutschland, zu generieren.
Das sind gewaltige Zahlen, die nur deshalb erreicht werden können, weil das Cloud Computing ein mächtiges Konzept von unübertroffener konzeptioneller Klarheit ist. Es gibt heute viele Definitionen dafür, aber am deutlichsten ist die des US Institute for Standards and Technology (NIST):
„Cloud Computing ist ein Modell für einen bequemen und anforderungsorientierten Netzwerkzugriff auf einen gesharten Pool konfigurierbarer Computing Ressourcen (z.B. Netze, Server, Speicher, Anwendungen und Dienstleistungen), der schnell und einfach mit minimalem Verwaltungsaufwand bzw. Einwirkung des Dienstleistungsanbieters bereitgestellt werden kann“
Cloud-basierte IT-Angebote müssen, um diesen Namen zu verdienen, eine Abstraktion von den Besitzern und Betreibern der eigentlichen Hard- und Software ermöglichen und es den Nutzern erlauben, auf diese Infrastruktur unter Abstraktion von den tatsächlichen Betriebskosten in einem jederzeit skalierbaren Umfang auf Basis einer leistungsbezogenen Kostenabrechnung pro Benutzung zuzugreifen.
So gesehen ist das Modell sehr allgemein. Von der Familienmutter, die Gruppenfotos in der Cloud optimieren kann (wie in der TV-Werbung zu sehen) bis zu einem produzierenden Unternehmen, das sich für eine komplexe Simulation kurzzeitig einen Supercomputer „ausleihen“ kann, ist alles denk- und machbar.
Der Vorzug ist in jedem Fall, dass ein Nutzer weder eine Infrastruktur noch Personal für komplexe Aufgaben vorhalten muss, die nicht permanent benötigt werden.
Dennoch bestehen mit Recht viele Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit und der wirklichen Verfügbarkeit. Das ist so wie mit den Stadtteilautos (in Aachen „Cambio“). Jeder, der nur gelegentlich ein Auto braucht, kann es sich für einen begrenzten Zeitraum unkomplizierter als bei der Autovermietung leihen. Insgesamt ist der Erfolg des Konzeptes mager, die meisten ziehen selbst eine fahrbare Keksdose vor, wenn sie sie nur besitzen.
Ganz offensichtlich gibt es hier auch ein psychologisches Problem, welches primär im Streben nach Unabhängigkeit begründet ist. Aber auch aktuelle Ereignisse wie die Störung der Website von Amazon durch Wikileaks als Rache für den Entzug möglicher Cloud-Leistung stärken nicht grade das Vertrauen in Public Cloud Lösungen.
Dem entsprechend haben sich drei Ausprägungen der Cloud entwickelt:
- Public Cloud: die Leistungen werden von speziellen Unternehmen, die entsprechende Rechenzentren betreiben, angeboten und primär über das Internet bereitgestellt. Mit kleineren Einschränkungen kann sie jeder benutzen; Amazon wäre ein Beispiel dafür.
- Private Cloud: die Leistungen werden von einem RZ erbracht, welches organisatorisch der (beschränkten) Menge der Benutzer assoziiert ist, also z.B. vom RZ eines Unternehmens oder einer Behörde für die Mitarbeiter des Unternehmens oder der Behörde
- Hybrid Cloud: ein Unternehmen oder eine Organisation betreibt eine private Cloud und nutzt gelegentlich die Leistungen eines Public Cloud Anbieters
Betreiber von Public Clouds wissen, was sie zu tun haben.
Spannend für Unternehmen und Organisationen ist primär die Private Cloud.
Das ist die Cloud
Die Kernbausteine Server- und Speichervirtualisierung geben ihnen die Möglichkeit, erhebliche Effizienzsteigerungen ihres RZs hinsichtlich Rechenleistung, Flexibilität, Reaktionsfähigkeit und Energieverbrauch zu realisieren, ohne sich den Risiken aussetzen zu müssen, die bei der Wahrnehmung öffentlicher Angebote entstehen würden.
Amazon & Co. haben eine weit reichende Angebotspalette für das Mieten von Rechenleistung bis hin zum Supercomputing in verschiedenen Darreichungsformen. Die Mietpreise dabei sind sehr verlockend und die Anbieter verdienen trotzdem Geld dabei. Dennoch wird ein eher konservativ aufgestelltes Unternehmen mit Recht niemals dazu neigen, wesentliche Teile seiner DV in dieser Art auszulagern. Neben handfesten Sicherheitsbedenken ist das auch eine politische Frage.
Andererseits hätte man nichts dagegen, von den konstruktiv bedingten Vorzügen zu profitieren. Alleine die Möglichkeit, die Energie-Effizienz gegenüber heutigen Lösungen in einem Bereich zwischen 40 und 65 Prozent verbessern zu können, ist sehr verlockend.
Dazu ist es aber keineswegs ausreichend, Komponenten wie Server, Speicher und Netz wie bisher voneinander isoliert zu betrachten. Nur das Zusammenspiel in allen Bereichen sorgfältig abgestimmter Komponenten kann hier zum Erfolg führen.
Cloud Computing im strengen Sinne zeichnet sich dadurch aus, dass ein Cloud Service durch folgende Merkmale geprägt wird:
- Abruf nach Bedarf durch den Anwender über eine Schnittstelle im Rahmen eines z.B. durch einen Katalog festgelegten Leistungsangebots
- Kapazitäten können auf Mausklick erweitert oder eingeschränkt werden (Elastizität)
- Standort-ungebundene Verfügbarkeit im Internet
- Abstraktion: die Rechen- und Speicherkapazitäten werden als abstrakter Pool bereitgestellt. Der Kunde oder Nutzer weiß weder, wo die Kapazitäten erbracht werden noch in welcher Technologie das geschieht
- Bezahlung nach Verbrauch
Es gibt eine Klasse von Unternehmen, für die das enorme Vorteile darstellt und zwar alle,
- die relativ klein sind
- ihr Wachstum nicht sicher prognostizieren können
- hohe Investitionen in DV mit Recht scheuen
Aber selbst das hat seine Grenzen: nach EU-weiter Gesetzgebung wäre die Speicherung von personenbezogenen Daten in einer Public Cloud praktisch unmöglich, weil ein Unternehmen nachweisen muss, was es für den Schutz dieser Daten unternimmt und die Daten auf keinen Fall außerhalb der EU untergebracht werden dürfen. Da die Speicherkapazitäten aber abstrakt sind, kann es das nicht in geeignetem Umfang. Google betreibt schon ein RZ in Irland, um wenigstens die letzte Forderung erfüllen zu können, insgesamt liegt da aber noch ein weiter Weg vor uns.
Was ist aber mit den „normalen“ Unternehmen und Behörden? Hier muss man hinsichtlich der Nutzbarkeit der Cloud-Konzepte, ob nun in öffentlicher oder privater Form, eine Reihe dicker Fragezeichen setzen. Am einfachsten kann man das zeigen, wenn man die geschilderten Merkmale mit den oben genannten Merkmalen von Cloud Computing anhand von Beispielen verbindet.
- Abruf nach Bedarf durch den Anwender: wenn der Anwender heute etwas machen möchte, kann er das ja auch. Die Schnittstelle zu einem Cloud-Service ist immer ein Browser. Abgesehen von den Problemen, die dadurch entstehen, dass HTML5 längst noch nicht überall als relativ unabhängige Basis zu finden ist, hat auch die Benutzerführung längst nicht immer die Qualität einer konventionellen Schnittstelle.
- Elastizität kann nur im Rahmen eines geeigneten Virtualisierungskonzeptes mit entsprechend modernen Blade-Servern und passenden Konzepten für Speicher und Netz erreicht werden. Die Frage ist aber, inwieweit ein Unternehmen innerhalb einer Private Cloud überhaupt davon profitieren könnte.
- Standort-ungebundene Verfügbarkeit ist natürlich generell spannend. Das wird ein Unternehmen aber auch ohne Cloud-Konzept z.B. auf der Grundlage von Endgeräte-Virtualisierung erzielen können, was wegen der vielen neuen mobilen Endgeräte ohnehin auf der Agenda steht. Fraglich ist dabei immer, in welchem Kostenrahmen die Provider die benötigte Leistung in der benötigten Qualität bereitstellen.
- Abstraktion: In den allermeisten Fällen geschieht die Abstraktion in normalen Unternehmen und Behörden anwendungsorientiert. Der Mitarbeiter benutzt z.B. ein ERP-System, kümmert sich aber nicht darum, wie es nun im Einzelnen implementiert wird.
- Bezahlung nach Verbrauch. Unternehmen sind vielfach grade im Anfangsstadium des Prozesses der Definition von Servicemodellen, die eine Basis für eine nutzungsbezogene Abrechnung wären. Es ist fraglich und hängt sehr vom Einzelfall ab, ob das Unternehmen dadurch überhaupt tatsächlich etwas sparen kann.
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