Migration von Mainframe-Daten Das Ende von FICON?
Mainframes sind komplex und teuer. Dasselbe gilt für die Nutzung der direkt für den Mainframe gespeicherten Daten. Model9, ein israelisch-US-amerikanisches Start-up, ist angetreten, um hier etwas zu ändern.
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In den meisten Großunternehmen, etwa bei Banken, Versicherungen, Kreditkartenfirmen, großen produzierenden Unternehmen oder Airlines, stehen nach wie vor Mainframes. Sie erledigen wichtige Teile der geschäftsrelevanten IT-Aufgaben. Entsprechend gewichtig sind die Datenmengen, die zu diesen Applikationen gehören und auf die der Mainframe jederzeit zugreifen muss.
Auch die entsprechenden Backup-Applikationen, virtuellen Tape-Libraries (VTL), FICON-Verbindungen und nicht zuletzt die IBM-Mainframe-Transaktionen bei Backup und Restore kosten viel Geld. Denn anders als auf Standardrechnern gehört die Datensicherung hier zu den Kernoperationen. Das heißt, sie sind kostenpflichtig.
Jede Menge Grund also, sich von dem teuren Instrument zu verabschieden – eigentlich. Dennoch gibt es viele Anwender, die ihren Großrechner weiter betreiben wollen. Sei es, weil sie die Sicherheit und Vertrautheit dieses bewährten Instruments schätzen, sei es, weil sie die Kosten der Anwendungsmigration fürchten.
Bedeutung der Mainframes steigt
Tatsache ist, dass täglich 30 Milliarden Transaktionen über Mainframes abgewickelt werden, darunter 55 Prozent aller Enterprise-Transaktionen. Die rund 9.000 Mainframes weltweit werden zwar nicht unbedingt mehr, aber ihr Einfluss auf die weltweite Datenverarbeitung steigt eher.
Der Vergleich mit der weltweit beliebtesten Suchmaschine Google zeigt, was das bedeutet: Über den Mainframe laufen 1,3 Millionen Transaktionen pro Sekunde, über Google 64.582 Transaktionen pro Sekunde. Und es wird weiter in Mainframe-Storage investiert.
Das gilt allerdings nicht für den Umgang mit Daten und insbesondere der Datensicherung. Gartner veröffentlichte im September 2020 eine Prognose, der zufolge bis 2025 38 Prozent der Mainframe-Daten in der Cloud gesichert werden – 2020 waren es noch fünf Prozent.
Datenbrücke zwischen Mainframe und Cloud
Diesen Trend hat Model9 erkannt und mit dem „Cloud Data Manager“ ein Produkt entwickelt, das IBM-Mainframe-Anwendern hilft, das Loch zwischen Mainframe und Cloud zu überbrücken. Ein Agent arbeitet auf dem Mainframe, um die Datentransformation zu steuern. Model9 ist in Java geschrieben und läuft auf dem Zip-Prozessors des IBM-Mainframes. Derzeit wird nur IBM unterstützt, weitere Mainframe-Plattformen sollen folgen.
In Frage kommen, so Model9-CEO Gil Peleg, drei Arten von Umfeldern:
- Anwender, die zögern, in die Cloud zu migrieren und den Mainframe noch länger behalten möchten, aber die Datenhaltung und -sicherung gern in die Cloud verlagern würden,
- Anwender, die einige Applikationen in der Cloud halten und andere On-Prem; sie möchten Daten meist komplikationslos zwischen diesen beiden Bereichen verschieben können,
- Anwender, die mittelfristig den Mainframe abschaffen möchten und eine Überbrückung für die Zeit bis dahin brauchen; Peleg dazu: „Die Daten bleiben meist am längsten auf dem Großrechner.“
Anders als Lösungen wie die von LZ Labs, die auf Anwendungsmigration vom IBM-Mainframe zielen, bewegt sich Model9 ausschließlich auf der Datenebene. Kunden, die mit Hilfe von Model9 ihre Daten in der Cloud sichern, können die Tools des unter anderem von Intel finanzierten Neulings als Alternative zu den bisherigen Mainframe-Backup-Lösungen wie IBM oder CA/Broadcom nutzen.
Mainframe-Daten werden geöffnet
Technologisch transformiert Model9 die Mainframe-Daten, ohne die kostenpflichtige Rechenleistung des Großrechners zu beanspruchen, in die Formate .csv oder JSON. Anschließend werden die Daten auf Object Storage On- oder Off-Prem gespeichert. Werden sie Off-Prem transportiert, nutzt Model9 einen parallelen Transportmechanismus, hackt Daten in kleinere Teile und nutzt Kompression. Das Versendungsprotokoll ist TCP/IP. Laut Peleg soll sich dadurch die Dauer von Backups auf ein Viertel reduzieren.
Dazu kommen weitere innovative Funktionen. So lassen sich mit Model9 Blob-Daten aus AWS auf MS Azure sichern. Zudem werden die Daten in den genannten verbreiteten Formaten auf Object Storage zum ersten Mal der Analyse durch KI-Algorithmen, BI-Lösungen et cetera zugänglich. Außerdem, so das Model9-Management, nutzten viele Kunden einen Model9-Backup als Drittkopie, um bei nötigen Restores flexibler zu sein. Auf mit Model9 gesicherte Daten kann von jedem Mainframe aus zugegriffen werden.
Potentiale für Kosteneinsparungen
Ersparnisse ergeben sich durch den Wegfall der diversen kostenträchtigen proprietären Technologien, der Bandmedien und -bibliotheken samt Management und Wartung sowie durch den Wegfall von FICON-Verbindungen. Gleichzeitig bleibt die Sicherheit gewahrt, denn Model9 unterstützt alle Mainframe-üblichen Sicherheitsfunktionen.
Cloud-Provider speichern alle Daten grundsätzlich dreimal innerhalb des RZ. Zudem können sich Kunden für die Auswahl mehrerer Zonen als Datenspeicherort ihrer Backups entscheiden. Deshalb ist die Sicherheit gesicherter Daten in der Cloud sogar höher als bei On-Prem-Lösungen.
Besonderen Wert legt der Anbieter, der sein Produkt bereits drei Jahre auf dem Markt hat und weltweit Kunden versorgt, auf enge Partnerschaften. Dafür wurde das „Mainframe Cloud-Ready Partner Program“ aufgelegt. Beispielsweise bieten Cloud-Provider Model9 als Service an, um Mainframe-Nutzer zumindest partiell als Kunden zu gewinnen. Mainframe-Hersteller dagegen profitieren, weil sie ihren Kunden mit der Lösung zumindest bezüglich der Daten eine Brücke zur kostengünstigeren Cloud bauen können.
Französischer Rennsportregulierer nutzt Model9
Ein europäisches Unternehmen, das die Lösung verwendet, ist France Galop. Das Non-Profit-Unternehmen ist für Kontrolle, Steuerung und Regulierung des Pferderennsports in Frankreich zuständig. Dort habe man, so IT Production Manager Jean-Michel Klyss, einen IBM-3590-Mainframe genutzt.
Unter anderem aus Kostengründen ersetzte Klyss die bisherige Lösung für Speicherung und Datenmanagement durch Model9. On-Prem wurde MinIO-Storage als Cache implementiert, weil Klyss befürchtete, im Zweifel nicht schnell genug wiederherstellen zu können. Dort werden die kompletten Daten der letzten Woche gehalten.
Laut Klyss haben die Neuerungen zu erheblichen Kostensenkungen geführt, die Backup-und-Recovery-Zeit gesenkt und das Unternehmen von Hardware-Abhängigkeiten befreit. Klyss lobt auch die einfach nutzbare Schnittstelle der Software-only-Schnittstelle. Eine Recovery lässt sich, falls erforderlich, nun jederzeit ohne Spezialressourcen durchführen. Das Datenarchiv hat nun mehrere Schichten, was die Kosten weiter optimiert.
Version 2 verfügbar
Anfang 2021 kam der Cloud Data Manager in Version 2 auf den Markt. Mainframe-Datensets lassen sich damit direkt aus der Cloud lesen und auf die Cloud schreiben. DB2-Image-Kopien können in Standardformate umgesetzt werden. Mehr kostengünstige Speicherschichten auf AWS und Azure wurden in das Angebot einbezogen. Verbessert und verfeinert wurden weiter die Such-, Steuerungs- und Zeitfunktionen. Außerdem unterstützt die Lösung jetzt Scality-Storage.
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