Nachgefragt bei der Schwarz IT Ist die Lidl-Cloud eine Alternative zu den Hyperscalern?
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Seit rund einem Jahr offeriert die Schwarz-Gruppe, Heimat der bekannten Discounter-Ketten Lidl und Kaufland, offiziell Cloud-Dienste für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung. Unter dem Namen „Stackit“ präsentiert man sich als Alternative zu den Hyperscalern AWS, Microsoft Azure und Google Cloud. Kann man das Versprechen einlösen?

Wir haben Stackit bereits einmal in unserer Reihe mit Alternativen zu den Hyperscalern vorgestellt: Anfang 2021 war das Cloud-Angebot der in Neckarsulm ansässigen Schwarz IT, die die IT-Organisation des größten europäischen Handelsunternehmens, der Schwarz Gruppe, ist, noch eine große Unbekannte. Zur Schwarz Gruppe gehören die bekannten Marken Lidl und Kaufland, aber auch die eher weniger bekannten Schwarz Produktion in der Lebensmittelherstellung sowie PreZero im Bereich der Umweltdienstleistungen.
Warum wird der Name „Lidl“, den in Deutschland praktisch jeder kennt, nicht offensiver genutzt? „Wir haben uns bewusst dazu entschieden, das Unternehmen beziehungsweise die Marke Lidl nicht für die Vermarktung der Cloud zu nutzen, unter anderem weil sie als etablierte B2C-Marke bereits stark mit dem Discount-Geschäft im Einzelhandel in Verbindung gebracht wird“, so Matthias Sutter, Bereichsleiter Stackit. „Als Cloud-Provider verfolgen wir ein anderes Geschäftsmodell, eine andere Zielgruppe, nämlich B2B, und auch ein anderes Markenversprechen. Aus diesen Gründen haben wir uns dazu entschieden, mit Stackit eine neue Marke zu positionieren, die keine unmittelbare Verbindung zu Lidl oder anderen Marken der Schwarz Gruppe erkennen lässt.“
Schon 2018 schon war Stackit gestartet, offerierte seine selbstentwickelte Public-Cloud-Infrastruktur aber ausschließlich innerhalb der Schwarz Gruppe. 2020 öffnete Schwarz IT dann erste Testzugänge für interessierte Unternehmen. „Die Schwarz IT bildet das technologische Rückgrat der Unternehmen der Schwarz Gruppe. Da die Datenvolumina und IT-Anforderungen ständig steigen, erweiterten wir in den letzten Jahren unsere Infrastruktur durch den Bau neuer Rechenzentren in Deutschland und Österreich. Diese Rechenzentrumsflächen werden intern für die Unternehmen der Schwarz Gruppe genutzt“, erläutert Sutter. „Auf diesen Rechenzentren läuft auch die Stackit Cloud. Durch den Skalierungseffekt der Cloud war es sinnvoll, weitere Nutzer mit auf die Plattform zu nehmen. Seit Gründung der Marke Stackit stehen die Rechenzentren daher auch anderen Unternehmen zur Verfügung.“
Nach zwei Jahren Überlegens- und Erfahrungszeit bot Stackit seine Services seit dem 1. März 2022 offiziell Unternehmen und Behörden an. Diese Services bestehen aus zwei Komponenten: Cloud und Colocation.
Das Angebot: Cloud und Colocation
Das Cloud-Angebot unterscheidet sich wenig vom Wettbewerb, gliedert sich typischerweise in Infrastruktur- und Plattform-Services, Runtimes und Monitoring auf und startet mit einem Tiny Server mit Intel-Chip und Linux für 2,19 Euro im Monat. Seit Juni 2022 ist man offizieller, CNCF zertifizierter Kubernetes-Anbieter. Seit September steht Anwendern die beliebte, weil dokumentenorientierte NoSQL-Datenbank MongoDB zur Verfügung.
Colocation kann in einem offenen Bereich mit einzelnen, gesicherten Racks in einem überwachten Serverraum oder im dedizierten Bereich, das ist ein eigener Raum ab 100 Quadratmetern, betrieben werden. Im Oktober 2022 wurde Stackit vom Beratungsunternehmen Information Services Group (ISG) in der „ISG Provider Lens 2022“ zum „Leader im Bereich ‚Colocation Services for Midmarket‘“ ernannt.
„Stackit bietet als einziger Cloud-Provider eine Kombination aus Rechenzentren in Deutschland und Österreich sowie einem deutschen Unternehmenssitz. Die Daten unserer Kunden sind nach den höchsten europäischen Sicherheits- und Datenschutzstandards geschützt“, so Christian Müller, Vorstandvorsitzender der Schwarz IT.
Security und Datenschutz sind beherrschende Themen
Neuen Schub bekam das Public-Cloud-Angebot Ende September vorigen Jahres, als Stackit durch eine Kooperation mit der Siemens-Tochter Mendix deren Low-Code-Plattform offerierte. Diese habe man selbst seit 2021 für die Entwicklung von Unternehmens-Software eingesetzt und wolle sie nun auch externen Kunden zugutekommen lassen. Was nötig sei, weil der Fachkräftemangel mittelfristig auch die Sicherheit bedrohe: „Unser Mittelstand ist durch den Abfluss von Unternehmenswissen ins Ausland gefährdet und betreibt aus diesem Grund oft eigene Server und Netzwerke. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, Experten für den Betrieb eigener IT-Kapazitäten zu rekrutieren. Gemeinsam mit Mendix ermöglichen wir diesen Unternehmen jetzt den Schritt in die sichere Cloud. Damit wollen wir einen Beitrag zur Standortsicherung und nachhaltigem Wachstum in Deutschland und Europa leisten“, so Müller.
Überhaupt will Stackit als maximal seriös wahrgenommen werden. Die Rechenzentren der Cloud stehen in Deutschland, unter anderem in Ellhofen bei Heilbronn, und das für den Colocation-Service im österreichischen Ostermiething; damit fallen sie natürlich unter europäisches Recht. Stackit selbst nutzt für die Cloud das Prädikat „100 % Made in Germany“. Transparenz und die Umsetzung datenschutzrechtlicher Richtlinien garantierten zudem unter anderem Mitgliedschaften bei der Linux Foundation, der Cloud Native Computing Foundation (CNCF), dem eco-Branchenverband und Eurocloud Deutschland. Bei Gaia-X ist Stackit „Day1-Member“, also von Anfang an mit dabei.
Weiter gestärkt wurde die Security von Stackit durch die Übernahme des israelischen Cybersecurity-Spezialisten XM Cyber Ende 2021. „Die Lösung von XM Cyber ermöglicht uns, die eigene IT durch die Augen eines potenziellen Angreifers wahrzunehmen und Angriffspunkte zu erkennen, bevor es jemand anderes tut – automatisiert 24 Stunden am Tag“, berichtet Müller. „Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um lokale Infrastrukturen oder Hybrid-Cloud-Systeme handelt. Mögliche Angriffspfade werden durch XM Cyber aufgedeckt und nach Gefahrenpotenzial priorisiert. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Schließung der Lücken aufgezeigt.“ Für zusätzliche Sicherheit sorge XM Cyber, indem es seine Technologie ständig durch das unabhängige Fraunhofer-Institut prüfen lasse.
Im Juni 2022 wurde zudem eine Plattform für Cloud-Sicherheit und Monitoring von Cyber Observer, einem weiteren israelischen Sicherheitsexperten, übernommen. „Die Technologie von XM Cyber sorgt bereits heute für die Sicherheit der Infrastruktur der Schwarz Gruppe. Unsere Systeme sind somit stets einen Schritt weiter als mögliche Angreifer. Zukünftig werden auch die Kunden der Stackit Cloud das außerordentliche Sicherheitsniveau von XM Cyber genießen“, so Müller im vergangenen Sommer.
Kann Stackit hyperskalieren?
Aber ist Stackit damit tatsächlich eine Cloud-Alternative zu den Hyperscalern für Mittelstand und die öffentliche Verwaltung? Ja, sofern diese keinen globalen Zugang benötigen. Sobald ein Mittelständler beispielsweise in Asien Cloud-Services beziehen muss, sind die weltweit operierenden AWS, Azure und Google bereits vor Ort. Aber in Sachen Sicherheit und Datenschutz haben Angebote aus Europa wie eben Stackit gegenüber den Cloud-Anbietern in den USA und neuerdings verstärkt China (und sogar Indien) zweifelsfrei die Nase vorn. Damit reiht sich Stackit tatsächlich in die Riege der Alternativen à la Hetzer, 1&1 und Co. ein.
Mit der Schwarz Gruppe im Rücken wäre vieles möglich; laut „Handelsblatt“ will die Schwarz Gruppe noch viele weitere Millionen Euro in die Vermarktung des Providers stecken. Mutmaßlich wird die weitere Expansion aber durch den Mangel an Fachpersonal eingebremst. „Der Mangel an Fachpersonal ist in der gesamten Branche ein großes Thema. Auch wir sind immer an neuen Talenten interessiert. Wir bieten unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten und Aufgabenbereiche: vom Werkstudenten über Young Professionals bis hin zur Führungskraft, vom IT-Support bis hin zu Trendscouting, Kooperationsmanagement und Programmierung. Unseren Mitarbeitern offerieren wir sichere Jobs mit Perspektive, auch im internationalen Kontext. Die Schwarz IT arbeitet mit Hubs in mehreren europäischen Ländern und arbeitet länderübergreifend eng zusammen“, erläutert Dr. Benjamin Schmidt, Bereichsleiter Business Development bei Stackit.
„Mit Hilfe verschiedener Möglichkeiten zu Aus- und Weiterbildungen sowie weiterer Benefits, wie beispielsweise der Möglichkeit für flexibles Arbeiten und Sabbaticals, positionieren wir uns darüber hinaus als attraktiver Arbeitgeber.“
Die Mitarbeiterzahl beträgt aktuell rund 150 – wie jeder in der Branche weiß, ist das Halten von Profis im Unternehmen zur heiklen Angelegenheit geworden. Ob unter diesen Umständen auch hyperskaliert werden kann ist fraglich, denn, wir zitieren uns selbst: „De facto handelt es sich bei Hyperscalern um Systeme, welche im Rahmen des Cloud Computing oder auch im Bereich Big Data entstehen. Hierzu werden mehrere Tausend bzw. Millionen Server miteinander verbunden, so dass ein Netzwerk entsteht, welche zudem erweitert werden kann. Es handelt sich also um ein Big Data Netzwerk, dass neben hohen Zugriffen zugleich auch eine schwankende Nutzung kompensieren kann.“
Der ganz große Maßstab fehlt also noch bei Stackit. Das trifft auch auf das Partnernetzwerk zu, das sich mit Alaska.Labs, Camao Tech, Cloud&Heat, Creatision, Hiqs, Step Over und Value Cloud aktuell noch sehr übersichtlich präsentiert. Zum Vergleich: AWS nennt 100.000 Partner aus mehr als 150 Ländern Teil seines Netzwerks.
Fazit: Für viele kleine und mittlere Unternehmen sowie Behörden kann Stackit durchaus eine Alternative sein, eine sichere noch dazu. Unsere Autobauer oder Chemieriesen aber können aktuell wohl nur abteilungsweit auf das Angebot zugreifen; für Big Data scheint Stackit noch nicht reif.
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