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Festplattentrends für 2021 und danach „Disks mit Mikrowellentechnik kommen noch 2021“

Autor / Redakteur: lic.rer.publ. Ariane Rüdiger / Jürgen Ehneß

Was tut sich auf dem Festplattenmarkt? Können Hard Disks mit rotierenden Speichermedien sich weiter gegenüber SSDs behaupten? Und welche technischen Weiterentwicklungen gibt es? Über solche und ähnliche Themen sprachen wir mit Rainer W. Kaese, Senior Manager, HDD Business Development bei Toshiba Electronics Europe GmbH.

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Können HDDs mit SSDs auch künftig mithalten? Rainer W. Kaese von Toshiba stellt dazu fest, dass Performance „in vielen Bereichen nicht entscheidend“ sei.
Können HDDs mit SSDs auch künftig mithalten? Rainer W. Kaese von Toshiba stellt dazu fest, dass Performance „in vielen Bereichen nicht entscheidend“ sei.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Storage-Insider: Herr Kaese, das Jahr 2020 war dank des COVID-19-Virus für die meisten vollkommen anders als erwartet. Hat die Pandemie auch den Storage-Markt beeinflusst, und wenn ja, wie?

Rainer W. Kaese, Toshiba: Die Pandemie hat den Trend verstärkt, im Rechenzentrum noch mehr Online-Storage einzusetzen. Oft haben große Dienstleistungsrechenzentren mehrere hundert Petabyte online, die ständig mit heißen Daten gefüttert werden. Das wird nach wie vor mit Festplatten realisiert. Denn Tape lässt sich nicht als schnelles Online-Medium betreiben, und SSD ist nach wie vor zu teuer.

Trotz der erheblichen Geschwindigkeitsvorteile?

Ja. Denn die Performance ist in vielen Bereichen nicht entscheidend. Es kommt tatsächlich vor allem auf die Kosten pro Kapazität an. Und durch die Bündelung vieler Festplatten kann man eine Leistung bei Durchsatz und IOPS erreichen, die mit SSD-basierten Lösungen mithalten kann.

Aber die SSD-Preise fallen doch stark und kontinuierlich …

Das ist richtig. Doch die Preise der Festplatten fallen ebenfalls. Tatsächlich entwickeln sich die Preisdegressionskurven mehr oder weniger parallel, und auch Festplatten werden erheblich weiterentwickelt. Zudem wird die Produktionskomplexität von SSD-Chips immer größer. Je dreidimensionaler die Entwürfe werden und je mehr Bits man in einer Zelle speichern kann, desto höher ist der Aufwand. Man ist jetzt schon bei 128 Schichten. Das setzt der Preisflexibilität nach unten Grenzen. Daher bleibt ihr Preis-Kapazitäts-Verhältnis aus der Sicht der RZ-Betreiber auf absehbare Zeit günstiger als das von SSDs.

Welche Weiterentwicklungen dürfen wir denn bei den Festplatten in den kommenden zwölf Monaten erwarten?

Ich sehe die Festplattentechnologie derzeit an einem Wendepunkt. Die Technologien, die uns im vergangenen Jahrzehnt vorwärtsgebracht haben, also insbesondere die Füllung mit Helium, um bis zu neun dünne Platten unterzubringen, und das Perpendicular Magnetic Recording (PMR), sind mit ihren Steigerungskapazitäten am Ende. Wir kommen damit nicht über 16 Terabyte pro Platte. Deshalb muss jetzt etwas grundlegend Neues kommen: die Mikrowellentechnologie, mit der ein sogenanntes Energy-assisted Magnetic Recording möglich wird.

„Toshiba bringt schon 2021 Festplatten mit Mikrowellentechnik“, prognostiziert Rainer W. Kaese, Senior Manager, HDD Business Development bei Toshiba Electronics Europe GmbH.
„Toshiba bringt schon 2021 Festplatten mit Mikrowellentechnik“, prognostiziert Rainer W. Kaese, Senior Manager, HDD Business Development bei Toshiba Electronics Europe GmbH.
(Bild: Toshiba)

Können Sie das erklären?

Das Schreiben der magnetischen Bits auf die Platte benötigt eine bestimmte Energiemenge. Dazu braucht man im Schreibkopf einen relativ großen Elektromagneten. Um den Schreibkopf zu schrumpfen, um mehr auf der Platte zu speichern, brauche ich eine externe nichtmagnetische Energiequelle. Die liefern minimale Mikrowellenöfen an jedem Schreib-/Lesekopf. Sie erzeugen mit sehr wenig Energie die nötige Hitze, um auf die Platte mit weniger magnetischer Energie zu schreiben. Das ermöglicht kleinere Schreibköpfe und alles zusammen höhere Kapazitäten.

Wann wird es Festplatten mit der neuen Technologie auf dem Markt geben?

Wir werden Festplatten mit Mikrowellentechnologie 2021 auf dem Markt sehen. Auch diese Festplatten sind mit Helium gefüllt, einfach deshalb, weil dieses Gas so leicht ist und dadurch der Energieaufwand erheblich abgesenkt werden kann. Es ist, als wäre man früher in Honig geschwommen und jetzt in Wasser: Der Widerstand ist sehr viel geringer. Der Energieverbrauch unter Last von 3,5-Zoll-7.200-rpm-Festplatten ist durch Helium von 11 W auf unter 7 W gesunken.

Was sind die wichtigsten Anforderungen der Zukunft an Festplatten, etwa von den Hyperscalern, die ja den Takt im Markt vorgeben?

Die klassischen: Die Platten sollen einerseits schneller, also agiler werden, andererseits soll auch mehr darauf passen. Für agile Systeme mit moderaten Kapazitätsanforderungen nahm man früher Festplatten mit 10.000 Umdrehungen pro Sekunde, aber die Technologie wird mehr und mehr durch SSDs ersetzt. Für die hohen Kapazitäten der aktiven Online-Storages muss man es anders machen: 7.200er-Festplatten schaffen mehr IOPS. Die Kapazitätserhöhung lässt sich mit Shingled Magnetic Recording realisieren, also der Überlagerung der Speichereinheiten. Solche Festplatten sind weniger agil, aber im Kapazitätssegment ist das nicht ausschlaggebend. Hauptsache, es passt möglichst viel drauf, und der Preis stimmt.

Wie funktioniert die Beschleunigung technologisch?

Bei den heute existierenden Festplatten reichte die Optimierung der Firmware für mehr Agilität, wie sie große Online-Storages brauchen. In Zukunft wird es darauf hinauslaufen, dass zwei Aktuatoren an einer Achse unabhängig voneinander betrieben werden, von denen jede Anfragen über ihre eigene Schnittstelle abwickeln kann. Dann erhöht sich der Datendurchsatz. Allerdings hat dieses Konzept auch einen Nachteil, denn man verliert eine Platte aus dem Plattenstapel zwischen den beiden Aktuatoren.

Wann wird man derartige Festplatten auf den Märkten sehen?

Ich nehme an, in zwei oder drei Jahren; Prototypen wurden bereits vorgeführt.

Was werden Mikrowellen- und später Doppel-Aktuator-Platten kosten?

Die nächste Festplattengeneration darf nur ungefähr so viel kosten wie die aktuelle. Sonst kauft sie keiner. Das setzt auch dem Kapazitätsfortschritt Grenzen: Selbst wenn man heute Festplatten mit 30 oder 40 Terabyte Kapazität realisieren könnte, würden diese vierstellig kosten, aber immer noch sehr viel weniger als SSDs mit der gleichen Kapazität. Allerdings kann man die gleiche Kapazität auch durch Kombination einiger aktueller Festplatten zu den üblichen Preisen erreichen, und also wird das gemacht.

Welche weiteren Verbesserungen werden bei Festplatten eingebaut?

Die oben genannten sind im Moment die wichtigsten. Daneben gibt es noch Kleinigkeiten, beispielsweise integrieren wir in unsere Produkte jetzt Heliumsensoren und in Zukunft ein Gesundheitsmonitoring für die Mikrowellenöfen an den Schreib-/Leseköpfen.

Wie sieht es mit der Integration von Verarbeitungsintelligenz in Festplatten aus? Bei SSDs sind solche Tendenzen feststellbar.

Das Thema stellt sich bei Festplatten so nicht, weil in der Regel sehr viele Festplatten in den Systemen stecken. Da ist es klüger, die Intelligenz in den Controller zu stecken. Aber vielleicht wird es irgendwann eigenständige Storage-Controller-Nodes mit viel Intelligenz für die optimierte Nutzung der vorhandenen Festplatten geben.

Wie sieht es mit Immersion für Festplatten aus? Rechenzentren sollen ja ihre Energieeffizienz dringend erhöhen, und Immersionstechnologien scheinen inzwischen sehr nah an einer breiteren praktischen Einsetzbarkeit zu sein.

Das ist vor allem bei Prozessoren, GPUs und Hauptplatinen sinnvoll, also Komponenten mit viel Leistung und Abwärme. Festplatten sehe ich hier eher weniger, obwohl Immersion mit heliumgefüllten Drives grundsätzlich möglich wäre. Aber die Komponenten sind relativ groß und zahlreich, so dass man sehr große Behälter brauchen würde.

Was würden Sie sich persönlich als Festplattenweiterentwicklung wünschen?

Dass wir uns vom 3,5-Zoll-Formfaktor verabschieden. Technisch könnte man genauso doppelt so hohe Festplatten bauen, auf die dann auch mehr draufgeht. Allerdings gehört die IT-Industrie zu den konservativsten Branchen überhaupt.

Woran liegt das?

An der stark fragmentierten Produktionskette und der gigantischen installierten Basis, zu der ein neues Produkt irgendwie passen muss, um schnell hohe Volumina und damit eine Preisdegression zu erreichen. Die SSD war letztlich so erfolgreich, weil man sie mit vorhandenen Schnittstellen und in einem bekannten Format angeboten hat. Dieser Branchenkonservativismus ist auch der Grund, warum die meisten Festplatten heute noch immer das Blockformat 512 Byte unterstützen. Dabei sind die Dateien inzwischen um Dimensionen größer. Etwas sinnvoller aus technischer Sicht ist das 4-Kilobyte-Format, das manche Produkte verwenden, aber eigentlich wären heute 64 Kilobyte angesichts der riesigen Dateigrößen erheblich angemessener.

Vielen Dank für das Interview, Herr Kaese!

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