DIN SPEC 3105 Offener Standard für offene Hardware
Um Anwendern mehr Freiheit zu geben und mehr Reparaturmöglichkeiten für Hardware zu eröffnen, wurde DIN SPEC 3105 geschrieben. Das Ziel: Hardware-Baupläne und andere Informationen sollen kostenlos ins Web – genau wie die Norm selbst.
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Beim Digitalgipfel 2020 wurde unter anderem das Start-up Open Source Ecology e.V. präsentiert. Das internationale Netzwerk wurde von Marcin Jakubowski gegründet und besteht aus Landwirten, Ingenieuren, Ökologen und anderen Interessierten.
Ziel ist der Aufbau eines sogenannten „Global Village Construction Set“ mit offenen Bauplänen der für die Zivilisation wichtigsten 50 Maschinen. So soll jeder diese Maschinen selbst zum Bruchteil des normalen Kaufpreises erwerben können. Die Baupläne werden digitalisiert und ins Netz gestellt.
Begonnen hat das Open-Hardware-Movement laut Wikipedia schon in den Achtzigern mit dem US-Funkamateur Bruce Perens. Inzwischen gibt es eine Reihe von Open-Hardware-Standards, aber noch keine offiziellen für Deutschland oder Europa.
Jeder kann die Norm herunterladen
Der deutsche Zweig von Open Source Ecology setzt sich für offene Hardware und offene Daten ein. Er hat eine neue DIN-Norm entwickelt. DIN 3105 wurde im Juni vergangenen Jahres verabschiedet. Der Text der Norm ist selbst als Pilotprojekt vom Deutschen Institut für Normung auf einer Spezialseite offen für jeden im Netz zugänglich.
Der Normtext selbst steht unter Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 License (international), CC-BY-SA 4.0. Er normiert die Entwicklung, Dokumentation und Bewertung von Open-Source-Hardware, also Hardware zum Selbstbauen. Der Verein hält Open-Source-Hardware für zentral, um eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen.
Die Norm enthält zwei Teile: Der erste umfasst die Dokumentationspflichten, die mit dem Attribut Open-Source-Hardware einhergehen. Der zweite definiert ein Bewertungsschema, nach dem OSH-Produkte von der Community bewertet werden können. Das soll die Lösungen vertrauenswürdiger machen.
Jeder darf nutzen, bauen, entwickeln und modifizieren
Im ersten in Abschnitt 3.4 sind die grundlegenden Rechte für Open-Source-Hardware definiert: das Recht zu entwickeln, zu nutzen, zu bauen und zu modifizieren. Hier hat die Definition freier Software Pate gestanden. Für jede OSH muss der gesamte Bauplan offengelegt werden; dazu gehört selbstverständlich auch die Software.
Zur ausschließlich digitalen Dokumentation gehören neben den Namen der Erfinder oder Erfinderinnen Lizenzbedingungen und eine genaue funktionale Beschreibung des Geräts, alle technologiespezifischen Dokumentationskriterien sowie die entsprechenden Dokumente. Schließlich muss das Gerät einen Namen erhalten.
Jede Dokumentation muss ein Release-Datum und eine eindeutige Release-Nummer enthalten. Außerdem soll ein Exemplar des freigegebenen Produktes hinzugefügt werden, was sich aber wohl nur auf ein Foto respektive den Software-Code beziehen kann.
Ein Bewertungsverfahren soll das Vertrauen in offene Hardware erhöhen
Teil 2 der Norm befasst sich mit den Bewertungsverfahren für die OSH-Produkte. Dabei nimmt die Norm auf DIN/ISO/IEC 17000 Bezug (Konformitätsbewertung). Ein Konformitätsbewertungsgremium soll dabei die jeweiligen Produkte darauf untersuchen, ob die Dokumentation den Vorschriften und ob das Produkt der Dokumentation entspricht. Anschließend wird eine entsprechende Review erstellt und die Bewerber erhalten für das jeweilige OSH-Produkt eine Konformitätsbestätigung.
Während DIN 3105 inzwischen fertiggestellt ist und damit entsprechende Prozesse anlaufen können, gibt es bereits viel offene Hardware auf dem Markt – natürlich noch nicht nach der Norm zertifiziert. Beispiele sind der „Arduino“, ein Minirechner im Platinenformat, der sich nicht nur bei Elektronikbastlern großer Beliebtheit erfreut, oder der 3D-Drucker „Rep-Rap“, der sich sogar selbst replizieren kann.
Studien zu OSH
Die Website Open Hardware Observatory funktioniert als Suchmaschine und Wiki für offene Hardware. Der Verband für Open-Source-Hardware (OSHWA) startete im Vorfeld der 2020er OSH-Konferenz das OSHdata-Projekt, das mittlerweile eine ebenfalls frei zugängliche Studie zum Thema OSH-Markt publiziert hat. Geplant sind ein Ausbau der Berichtstätigkeit sowie die Entwicklung einer eigenen Zertifizierung.
Für die Studie wurden 400 OSH-Projekte evaluiert. Die Produkte, die bewertet wurden, hatten einen durchschnittlichen Verkaufspreis von rund 211 US-Dollar. Die meisten Produkte kosteten allerdings unter 35 US-Dollar (siehe Grafik), darunter sind beispielsweise Sensoren. Laut der Studie können einige OSH-Produkte mit allen Erweiterungen und Optionen Preise bis 50.000 US-Dollar erreichen.
Die zertifizierten 400 Produkte stammten von nur 169 Einreichern. Von den einreichenden Unternehmen entwickelt ein Viertel 69 Prozent der Produkte, viele andere reichten jeweils nur ein Produkt ein. Der wichtigste Einreicher war Olimex, ein Spezialist für Elektronikentwicklungs-Hardware, mit über 45 Projekten. Die Majorität der Produkte kam 2020 aus den Bereichen 3D-Druck, Gehäuse, Elektronik und IoT.
EU-Studie: Software dominiert bei offener Entwicklung
Auch die Europäische Union hat sich in der noch nicht veröffentlichten Studie „Europe’s Digital Decade: Empowered by Open Source“ jüngst mit dem Thema Open-Source-Hardware beschäftigt. An der Forschungsarbeit war auch das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) maßgeblich beteiligt. Erste veröffentlichte Resultate zeigen: Die EU könnte von mehr Open-Source-Projekten jährlich bis zu 95 Milliarden Euro profitieren. Allerdings wird immer noch wesentlich mehr Soft- als Hardware quelloffen entwickelt.
Wichtigste in der Studie genannte Vorteile von Open-Source-Aktivitäten sind quelloffene Standards, Unabhängigkeit von Lieferanten, besserer Zugang zum Quellcode, mehr Wissensaustausch innerhalb der Community, Kosteneinsparungen, vereinfachter Zugang zu und Umsetzung von Innovationen.
Die wichtigsten Kostenfaktoren für die offene Entwicklung von Hard- und Software sind die Sicherstellung stabiler, robuster Produkte, die Beschäftigung entsprechend qualifizierter Kräfte, die Entwicklung spezifischer Lösungen für bestimmte Applikationen und für die Erstellung fehlender Schnittstellen. Insgesamt zeigt die Entwicklung von OSS/OSH nach der Untersuchung ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von eins zu zehn zugunsten von Open Source.
Fazit der Autorin
Mit DIN 3105 ist ein erster Schritt in eine offenere Hardware-Welt auch in Deutschland gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass diese Chance von vielen genutzt wird.
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