Refurbishing & Remarketing Gebraucht-Software gibt es nicht aus der Cloud

Von Dr. Stefan Riedl

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Das Cloud-Modell ist der Renner und steht gleichzeitig im Mittelpunkt der Kritik von Datenschützern. Gebrauchte Lizenzen wirft sie nicht ab und steht deswegen dem ­Gedanken einer Kreislaufwirtschaft, die auch Software einbezieht, im Wege. Die Branche erneuert sich gelassen.

Rinnt dem Gebraucht-Software-Markt wegen der kommenden Cloud-Ära die Zeit davon?
Rinnt dem Gebraucht-Software-Markt wegen der kommenden Cloud-Ära die Zeit davon?
(Bild: © Nadia Averkina - stock.adobe.com)

Das Geschäft rund um Gebraucht-Software brummt. Das meistverkaufte Produkt in diesem Marktumfeld dürfte das klassische Office-Paket sein. Gespeist wird das Angebot hauptsächlich aus gebrauchten Lizenzen von Vorversionen, die Gebraucht-Software-Händler im Rahmen von Volumenlizenzverträgen mit Software Assurance einkaufen, also inklusive einer Upgrade-Möglichkeit auf die aktuelle Version.

Derzeit avanciert Office 2021 gebraucht zum Kassenschlager. Auch Lizenzen für Windows Server 2022 und das erst kürzlich erschienene Visual Studio 2022 können mit Abschlag erworben werden. Microsoft spielt allein schon wegen der Verbreitung der Produkte eine immense Rolle in diesem Marktumfeld.

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Gebraucht-Software-Dokumentation

Damit im Auditfall möglichst keine Fragen offen bleiben, erhält der Käufer von seriösen Gebraucht-Software-Händlern eine umfangreiche Dokumentation, deren Bestandteile teilweise rechtlich geboten sind, aber teilweise darüber hinaus gehen können. Die juristisch gebotenen Bestandteile sind:

  • Kopien des relevanten Microsoft-Vertrags,
  • Kopien der Product Use Rights (PURs),
  • Löschbestätigung des Vorbesitzers,
  • Dokumentation der Lizenzhistorie,
  • Lieferschein und Rechnung.

Freiwillige Zusatzkomponenten (nicht abschließend):

  • Bestätigung der Info über den Lizenztransfer an den Hersteller,
  • Rücktrittsrecht vom Vertrag für den Käufer,
  • Haftungsfreistellungsklausel.

Was bringt die Cloud der Branche?

Doch Branchenkenner halten es für ein ­realistisches Szenario, dass allein schon mit einem Wegfall der On-Premises-Basis für ­Office durch einen Komplettumstieg auf die Cloud ein Umbruch im Gebraucht-Software-Markt kommen wird.

Schließlich gibt es keine gebrauchte Miet-Software aus der Cloud, denn hier kommt stets die neueste Version sozusagen aus dem Ethernet-Kabel. Doch läuft ­deswegen das Geschäftsmodell „Gebraucht-Software“ aus? Im Gebraucht-Software-Handel werden jedenfalls vielerorts neue Geschäftsbereiche aufgemacht oder ausgebaut, beispielsweise Lizenzberatung, die dann eben auch über das On-Premises-Modell hinausgeht.

Neue Schwerpunkte rund um Lizenzen

Existenzängste sucht man jedenfalls vergeblich. Zu groß und zu dynamisch ist der Software-Markt. Die Milliardenumsätze, die weltweit damit generiert werden, ­entfallen Statista zufolge zum größten Teil auf ­Software zum Customer-Relationship-Management. An zweiter Stelle folgt Software für das Enterprise-Resource-Planning. Den vierten Platz belegt Software für Business Intelligence (BI). Alles in allem ergeben sich weite Betätigungsfelder für Unternehmen mit Software-Expertise und Lizenzschwerpunkt, wie sie im Gebraucht-Software-Handel zu finden ist. Außerdem deutet alles darauf hin, dass das On-Premises-Modell an sich niemals ausgedient haben wird. Die Frage „Miet-Software aus der Cloud“ oder „lizenzierte Software, die vor Ort installiert wird“, ist keine, deren Antwort in einen Entweder-oder-Rahmen passt. Selbst wenn das bisherige „Brot-und-­Butter-Produkt“ wegbricht, weil Microsoft ­eine harte „Cloud-only-Schiene“ einschlägt, könnte sich dadurch sogar neue ­On-Premises-Konkurrenz auftun.

Nachhaltigkeit heißt längere Laufzeiten

In einer aktuellen Umfrage unter 150 teilnehmenden Einkäufern aus Unternehmen, Behörden und dem Software-Handel ­eruierte Anbieter UsedSoft, dass für rund 83 Prozent der Teilnehmer Nachhaltigkeit bei der Beschaffung und dem IT-Einkauf eine eher wichtige bis wichtige Rolle spielt. 94 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie es „bedenklich“ finden, wenn neue Software-Versionen die Anschaffung neuer Hardware notwendig mache. So waren auch 91 Prozent der Teilnehmer bereit, auf die neueste Software-Version wie etwa ­Windows 11 zu verzichten, wenn sich dadurch die Lebenszeit ihrer Hardware verlängert. „Der Griff zu einer ausgereiften Vorgängerversion ist eine nachhaltige Alternative zum Neukauf“, zieht Michael Aufderheide, COO und CFO bei UsedSoft als Fazit aus der Studie.

Kreislaufwirtschaft

Software endlich als Gegenstand der Kreislaufwirtschaft zu begreifen, fordert auch Andreas Thyen, Präsident des Verwaltungsrats der LizenzDirekt in einem Debattenbeitrag. Die zunehmende Nutzung von Cloud-Diensten gerate verstärkt ins Visier der ­Datenschutzbehörden, und gleichzeitig ­rufe die Diskussion um Nachhaltigkeit in der IT gewichtige Kritiker auf den Plan, argumentiert der Lizenzexperte. Thyen erinnert an die Datenschutzdiskussion über Cloud-Dienste nach dem Ende des EU-US Privacy Shield. Er verweist darauf, dass ­europäische Aufsichtsbehörden und der Europäische Datenschutzbeauftragte nun eine koordinierte Untersuchung der Nutzung Cloud-basierter Dienste durch den öffentlichen Sektor eingeleitet haben.

Datenschutz und Cloud-Dienste

In einer Pressemitteilung vom März dieses Jahres teilt das Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit dazu mit: „Insbesondere ­werden die Aufsichtsbehörden die Herausforderungen öffentlicher Stellen bei der Einhaltung der DSGVO bei der Nutzung von Cloud-basierten Diensten untersuchen, einschließlich des Prozesses und der Sicherheitsvorkehrungen, die beim Erwerb von Cloud-Diensten implementiert werden, Herausforderungen im Zusammenhang mit internationalen Datenübermittlungen und Bestimmungen zur Regelung der Beziehung zwischen Verantwortlichem und Auftragsverarbeiter.“

„Ein europäisches Juwel“

Seriös erworbene Gebraucht-Software lässt bei Lizenzen keine Fragen offen.
Seriös erworbene Gebraucht-Software lässt bei Lizenzen keine Fragen offen.
(Bild: Pixel-Shot - stock.adobe.com)

On-Premises-Software kennt viele solcher Probleme nicht, und Gebraucht-Software kann zudem bei der Nachhaltigkeit punkten. „Hier zeigt sich die Stärke von Gebraucht-Software, die oftmals weniger Risiken durch Änderungen von Bedingungen, Preiserhöhungen für Abonnements und Datenschutzbedenken aufweist und sich gleichzeitig nachhaltig dank der höchstrichterlichen europäischen Rechtsprechung ‚gebraucht‘ weiterveräußern und nutzen lässt“, so Thyen. Dem liege der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Interessen des Softwareherstellers nach dem initialen Verkauf im europäischen Wirtschaftsraum gewahrt seien, ­sodass dann die Interessen der Kunden und des freien Warenhandels auflebten.

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Der Markt sei weltweit allerdings die absolute Ausnahme, „ein europäisches Juwel, das die Machtstrukturen der großen Software-Anbieter aufbricht und Kunden ihre europäischen Eigentumsrechte und Grund­freiheiten an der Software bewahrt“, kommentiert der Manager.

Aufschwung durch Preiserhöhung

In einer kurzfristigeren Perspektive hoffen Gebraucht-Software-Händler auf Marktdynamik durch Preiserhöhungen seitens ­Microsoft. „Seit September 2021 zieht ­Microsoft wieder verstärkt seine Preise an“, sagt beispielsweise Michael Helms, Geschäftsführer der Soft & Cloud AG. Los ging es demnach mit Windows Server, Remote Desktop CAL und SQL Server, im Oktober kam die Office-Familie hinzu und im ­November schließlich alle weiteren On-Premises-Produkte. Für Anwender ergibt sich eine Preissteigerung von jeweils fünf Prozent. Auch für M365 stehen aktuell Preiserhöhungen an, so Helms.

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