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New Work und alte Rezepte Lernen von den Besten: Dichter und Denker als Pioniere des Homeoffice

Von Andrea Trapp* |

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Wer „Virtual First“ zur Maxime seines Arbeitens macht, muss Arbeit neu denken: Arbeitszeit soll Produktivzeit sein. Eine gut strukturierte Tagesplanung ist im Homeoffice wichtiger denn je. Wie sich aus strikter Arbeitsroutine Kraft „wieder-holen“ lässt und was es heißt, die kostbaren Stunden eines jeden Tages sinnvoll zu nutzen, wussten schon die großen Dichter- und Denker*innen. Als Pioniere des Arbeitens von zu Hause und unterwegs können ihre Routinen helfen, Remote-Work zu meistern.

New Work? Wie hat die Fokusarbeit von Thomas Mann ausgesehen? Welche New-Work-Mechanismen hätten Max Frisch gefallen, welche Ingeborg Bachmann? Wie würden Goethe und Schiller heute wohl an ihren Werken arbeiten, und wie würde Politikphilosophin Hannah Arendt ihre Arbeit im Home-Office strukturieren?
New Work? Wie hat die Fokusarbeit von Thomas Mann ausgesehen? Welche New-Work-Mechanismen hätten Max Frisch gefallen, welche Ingeborg Bachmann? Wie würden Goethe und Schiller heute wohl an ihren Werken arbeiten, und wie würde Politikphilosophin Hannah Arendt ihre Arbeit im Home-Office strukturieren?
(Bild: Dropbox)

Der Wecker klingelt um 8:00 Uhr, nach dem Bad steht das Frühstück um 8:30 Uhr bereit, seine Arbeit beginnt um Punkt 9:00 Uhr, dann braucht er drei Stunden Fokusarbeit ohne jegliche Störung. Tee gibt es täglich um 17:00 Uhr und zum Tagesabschluss einen Spaziergang zwischen halb acht und acht.

Thomas Manns autonome Arbeitsroutine in einem bewusst unflexiblen Tagesablauf bringt ihm 1929 den Literaturnobelpreis ein. Verfolgt man die Familiengeschichte der Manns, jagt sowieso ein „Rekord“ den nächsten – alles von zu Hause aus gemeistert.

Die Frage, die sich eröffnet: Wie muss der Alltag aussehen, um Grundlage für so erfolgreiches, sinnstiftendes Arbeiten zu bieten?

Rigide Grenzen, eine sehr strenge Tagesphasenunterteilung nach asynchroner und synchroner Arbeit sowie absolut geräuschfreie Konzentration hat Thomas Mann – nahezu despotisch – als zwei eiserne Prinzipien seiner Organisation etabliert. Das waren die Grundlagen für sein künstlerisches Schaffen, welchen einfach alles untergeordnet werden musste.

Die nobelpreisverdächtigen Arbeitsstrukturen Thomas Manns

Statt Befehl und Gehorsam wären heute gleichberechtigte Diskussionen mit demokratischen Entscheidungen zu den Vereinbarungen in Sachen Kernarbeitszeit im Homeoffice und gemeinschaftlicher Familiengestaltung an der Tagesordnung der Familie Mann. Um sein Arbeitsumfeld über seine Grenzen in Kenntnis zu setzen, würde Mann sicher seinen Kalender akribisch in farblichen Blöcken markieren, Benachrichtigungen ausschalten, wenn er gerade in seiner Fokuszeit wäre, eine Terminplanungssoftware wie „Calendly“ einführen und sich mit anderen auf Kern-Collaboration-Zeiten verständigen. Und Noise-Cancelling-Kopfhörer wären heutzutage wohl sein liebstes Accessoire – wenigstens von 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr.

Verbindlicher Briefwechsel: Wie bei Goethe und Schiller eine Signatur eine Deadline verbindlich machte

So unterschiedlich, vielfältig und individuell die Menschen sind, so verschieden ist ihre Art, sich zu motivieren und zu arbeiten. Schiller behauptete, ohne den Geruch verfaulten Obsts in der Schublade nicht schreiben zu können. Zum Glück setzte das Produktivitätsduo Schiller und Goethe schon damals auf verteiltes Arbeiten und musste sich kein Schreibzimmer teilen. Die beiden wären sonst wohl eher mit Streiten denn mit Schreiben beschäftigt gewesen.

Neben den völlig unterschiedlichen Arbeitszeiten – Goethe war ein Morgenmensch, Schiller Nachtschwärmer – liebte Schiller das Rauchen, Goethe hingegen bemerkt dazu nur knapp: „Es macht unfähig zum Denken und Dichten.“ Ergo war die einzige Möglichkeit, zusammenzuarbeiten, räumliche und zeitliche Trennung für individuelle Höchstleistung. Ganz nach den Ansätzen von Virtual First galt: asynchrones Arbeiten für gemeinsames Arbeiten.

Wahrscheinlich würde Goethe den Schiller einfach auf ein digitales Typoskript zu einem Schulterblick einladen, der dann asynchron sein Feedback per Kommentarfunktion abgeben könnte. Auf der Suche nach Verbindlichkeit in der Distanzarbeit wählten sie das Briefmedium und setzen sich postalisch ihre Deadlines für Abgaben – heute übernähmen das Verlage inklusive Mahngebühr.

Goethe und Schiller stellten Verbindlichkeit durch Deadlines und Unterschriften her.
Goethe und Schiller stellten Verbindlichkeit durch Deadlines und Unterschriften her.
(Bild: Dropbox)

In diesem Bezugsrahmen wäre die Nutzung einer elektronischen Signatur als verbindliche Unterschrift wohl exzessiv gewesen, da jeder auch noch so kleinste Brief über die Fertigstellung des Faust einer brüderlich verbindlichen Unterschrift Goethes bedurfte. So gelang ihnen in asynchroner Zusammenarbeit das große Drama – ganz ohne Drama.

Arbeit auf Achse – bei Ingeborg Bachmann ging es on the fly

Wer auch gut in den Goethe-Schillerschen Briefverkehr gepasst hätte? Ingeborg Bachmann! Nur ihre Lebensdaten machten dem einen Strich durch die Rechnung.

Für Virtual First wäre die Nobelpreisträgerin in vorderster Reihe gestanden. Stets auf Reisen – meist der Liebe wegen, allen voran der zu Max Frisch –, hielt es Bachmann nie lang am selben Ort. Feste Bürozeiten – unvorstellbar, keine Zigarette in der Hand beim Schreiben – erst recht! Vom Studium in Innsbruck über Graz, Wien, Rom nach München, Zürich und schlussendlich wieder Rom. Ein Leben auf Achse statt im immer gleichen Alltag, und das ganz ohne Produktivitätseinbußen. Denn „Arbeitsplatz“ war schon bei Ingeborg Bachmann „überall dort, wo gearbeitet wird“.

Ein Leben auf Achse und doch produktiv, kreativ? Das Vorbild liefert Ingeborg Bachmann.
Ein Leben auf Achse und doch produktiv, kreativ? Das Vorbild liefert Ingeborg Bachmann.
(Bild: Dropbox)

In die heutige Zeit übertragen, heißt das, egal ob physischer Raum oder digitale Umgebung – Arbeitsplatz ist das, was wir uns als solchen einrichten. Das Beste daran? Wohnungen kommen, Wohnungen gehen, Bachmanns Gedichte bleiben. Für die Dichterin auf Achse wäre heute die Cloud der digitale Ankerpunkt eines bewegten Lebens. Statt Stift und Papier wäre sie heute stets mit Notebook unterwegs, um von überall ihre Gedanken und Texte festzuhalten, in der Cloud zu speichern und jederzeit dort wieder abrufen zu können.

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Ein Arbeits- und Speicherort, so (orts-)unabhängig und frei wie Bachmann selbst. Das hätte ihr gefallen. Eines hätte sie jedoch niemals goutiert: einen Einblick in ihre Liebesbriefsammlung! Weder Max Frisch hätte an Celan gerichtete Briefe finden sollen noch andersherum – Beziehungschaos vorprogrammiert. Die perfekte Lösung? Passwortgeschützter Dokumentenverkehr und kontrollierte Ordnerfreigabe, der sich nur für die richtigen Augen öffnet.

Wer nicht fragt, bleibt dumm: Neugierde als Motor bei Max Frisch

Apropos Liebe und Max Frisch. Der Schweizer Schriftsteller, der keineswegs ein solcher Reisefanatiker wie Bachmann war, schuf sich mit einem zum Studio umgebauten Stall neben seinem Wohnhaus im Tessiner Bergort Berzona ein Refugium für sein schriftstellerisches Schaffen, bewusst räumlich getrennt von Wohn- und Schlafstätte. Dort schrieb er auch das zweite von insgesamt drei Tagebüchern der besonderen Art: Durch eine bewusst kreativ künstlerische Umsetzung der Tagesgeschehnisse etablierte Frisch das Tagebuch als Kunstform.

Eine Besonderheit stellt sich bei Frischs Gestaltung des Tagebuch 1966-1971 ein, in dem er das Format des Fragebogens als Instrument nutzt. Offen bleibt, an wen sich die Fragen richten, jedoch bieten sie eine Steilvorlage zum interaktiven Umfrage-Tool der neuen Arbeitswelt.

Die 25 Fragen

Frisch jedenfalls stellt je 25 Fragen zu den großen Themen des Lebens und fordert Lesende zu kurzen Antworten auf: „Stichworte genügen.“ Er stellt Fragen wie „Überzeugt Sie Ihre Selbstkritik?“ (Suhrkamp, 1972, Seite 10), „Wofür sind Sie dankbar?“ (ebenda, Seite 11), „Wonach richten sich Ihre täglichen Handlungen, Entscheidungen, Pläne, Überlegungen usw., wenn nicht nach einer genauen oder vagen Hoffnung?“ (ebenda, Seite 182).

Frischs Fragen wären im Kontext von New Work goldrichtig platziert, ebenso wie seine Art, das eigene Leben und Schaffen im Spiegel des Zeitgeistes und der weltpolitischen Lage zu reflektieren. In die neue Arbeitswelt würde auch das Reverse Mentoring oder Reverse Learning passen, das er vollzog, wenn er – wie so oft – die Nächte mit jungen, bewussten Menschen bis in die Morgenstunden durchdiskutierte.

Wer weiß, ob er nicht auch als engagierter Rezipient etwa bei der „Linkedin Reverse Mentoring“-Initiative in Erscheinung getreten wäre und so sein Bedürfnis nach neuen Einblicken und Ideen kreativer junger Menschen gestillt hätte.

Hannah Arendt – durch Interaktion zu Aktion

Hannah Arendt schrieb und dachte nicht nur viel im selbst errichteten und organisierten Homeoffice, sondern verfasste, wenn man es genau nimmt, mit ihrem Werk Vita activa eine philosophische Abhandlung über die menschliche Arbeit im Allgemeinen. Die Zigarettenhandhabung blieb einzig erlaubte Multitasking-Aktivität neben Interviews, Schreibtischarbeit oder universitärer Vorlesung.

Für Arendt bedeutete Handeln die „Interaktion zwischen Menschen“ zum Zwecke der „Einzigartigkeit und Pluralität in der Ideenfindung“. So erarbeitete sich die Philosophin einen Platz ganz weit vorn in den Konzepten von New Work.

Dass das Schreiben jedoch auch für sie wie auch alle hier genannten Dichter- und Denker*innen einen geregelten zeitlichen und örtlichen Rahmen benötigt, beschließt auch ihren Gedanken zur menschlichen Arbeit: Als Vorreiterin in Sachen New Work hätte sie sicherlich ihre Push-Funktion gezielt eingesetzt, getrennte Nummern für Arbeit- und Privatleben genutzt und den Arbeits- vom Privatraum getrennt, denn wenn sie fertig mit der Arbeit ist, sagt sie, „ist sie damit fertig”. Denn auch Arendt konnte sich nicht auf wundersame Weise vervielfachen und in drei Büros gleichzeitig sitzen.

Hannah Arendt meint: keine Furcht vor asynchroner, individueller und organisierter Arbeit!
Hannah Arendt meint: keine Furcht vor asynchroner, individueller und organisierter Arbeit!
(Bild: Dropbox)

Heute genösse sie wohl die Vorteile von Co-Working-Spaces und könnte ihren Arbeitsplatz ganz nach den Bedürfnissen ihrer aktuellen Projekte anpassen und gestalten, egal ob als Autorin für die New York Times, in ihrer Rolle als Professorin an verschiedenen amerikanischen Universitäten oder als wissenschaftliche Autorin. Rundum sorglos könnte sie auf sämtliches Equipment vor Ort zurückgreifen oder Meeting-Räume nach Bedarf buchen und behielte so die Oberhand in Sachen Flexibilität und selbstständiger Organisation ihrer Arbeit. Co-Working-Spaces sind für New Work ein nicht wegzudenkendes Element, denn sie bieten praktische Entfaltungsmöglichkeiten für zukunftsfähige Kollaboration und modernes Arbeiten zwischen Homeoffice und On-Premises.

Uhrzeiten spielten bei Hannah Arendt keine Rolle, wenn es um Einträge in ihr Denktagebuch ging. Dieses hält als ihr steter Gefährte ihre Gedanken fest – egal ob beim Spazierengehen, bei ihrer Lektüre oder am Schreibtisch. Zu routinierten Arbeitsweisen schrieb sie in ihr Journal im September 1950: „Man soll sich nicht vor Wiederholungen fürchten. Es kann auch ein Wieder-holen sein.“

Verfolgt man die Spuren von Mann, Schiller, Goethe, Frisch, Bachmann und Arendt erkennt man ein Muster: Ein „Wieder-holen“ der eigenen Arbeitsroutine schafft Kreativität, einen individuellen Raum und die Möglichkeit zu mehr Kommunikation und Kollaboration in einer Virtual-First-geprägten Arbeitswelt.

Angesichts des wohl größten Wandels unserer Arbeitswelt hat sich Andrea Trapp, erste Frau Europas des US-Cloud-Unternehmens und New Work-Pioniers Dropbox, Gedanken zur Arbeitswelt der Zukunft durch einen intensiven Blick zurück gemacht.
Angesichts des wohl größten Wandels unserer Arbeitswelt hat sich Andrea Trapp, erste Frau Europas des US-Cloud-Unternehmens und New Work-Pioniers Dropbox, Gedanken zur Arbeitswelt der Zukunft durch einen intensiven Blick zurück gemacht.
(Bild: Dropbox)

*Die Autorin: Andrea Trapp ist Vice President of Business International bei Dropbox und leitet ihre internationalen Teams aus München heraus. Die diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für Change-Management war 22 Jahre lang - zeitweise im Ausland - in europaweiten Führungs- oder Vorstandspositionen internationaler Tech- und PropTech-Unternehmen tätig.

Bis Februar 2019 war sie Area Vice President Sales Europe beim US-amerikanischen Soft- und Hardwarehersteller Oracle, wo sie bereits in den 90er Jahren ihre Karriere in Dublin begann. In der Zwischenzeit, von 2014 bis 2016, leitete sie als Managing Director den SaaS-Provider Textura Europe GmbH und war von 2012 bis 2014 Gebietsdirektorin Europa beim Lösungsanbieter für die Bau- und Immobilienbranche Conject AG.

Ihre inhaltlichen Schwerpunkte lagen in den letzten Jahren auf den Themen digital Leadership und der Optimierung von Transformationsprozessen. Dabei versteht sie sich als Coach und Mentorin ihrer Teams.

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