Sichere Stromversorgung im Rechenzentrum Wenn der Strom streikt: Kampf gegen Tücken und Versorgungslücken
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Beim „Janitza Energy Day 2023“ von Janitza Electronics drehte sich alles um Strom und seine Verfügbarkeit – und darum, wie man ihn ersetzen kann, wenn er ausfällt.

Bestseller-Autor Marc Elsberg („Blackout“) machte den Teilnehmern am Janitza Energy Day 2023 klar, welche fatalen Folgen ein Stromausfall haben kann. Und wie schmal der Grat ist, der uns täglich von dieser Situation trennt. Elsberg hat, bevor er sein Buch schrieb, als Journalist über Stromthemen berichtet und im Strommarkt recherchiert.
Elsberg und andere Referenten auf dem Janitza Energy Day wiesen nachdrücklich darauf hin, dass der Strom aus Steckdose oder Mittelspannungsleitung nicht selbstverständlich ist. Schon ein umgestürzter Baum kann die Stromversorgung eines halben Kontinents lahmlegen. Und das bedeutet für ein schlecht geschütztes Rechenzentrum möglicherweise den Totalausfall.
Blackout und gezieltes Abschalten
Von Blackouts spricht man dann, wenn der Strom großflächig, ungesteuert und chaotisch sowie länger, auch durchaus mehrere Tage lang, ausfällt. Daneben sind in Zeiten hoher Diskrepanz zwischen Bedarf und Erzeugung auch gesteuerte Abschaltungen möglich, um das Netz stabil zu halten. Die sind zwar ärgerlich, müssen vom Datacenter aber dennoch mit Eigenmitteln abgefangen werden.
Und die Risiken steigen. Dr. Götz Brühl, Geschäftsführer der Stadtwerke Rosenheim Netze GmbH: „Das Netz ist für eine Entfernung zwischen Erzeugung und Verbrauch von 70 bis 80 Kilometer konzipiert. Heute beträgt die Distanz aber im Durchschnitt bereits 130 Kilometer.“ Kurz: Die zuverlässige, ständige Versorgung mit Strom wird immer schwieriger.
Dazu hat auch die Liberalisierung des Strommarktes beigetragen: Die Gesamtverantwortung der Versorger wurde gestrichen. Das bedeutet zwar mehr Marktflexibilität, aber auch die Chance, bei Versagen die Verantwortung von einem zum anderen zu schieben. Außerdem wird weniger in die Netze investiert.
Digitalisierung und Dezentralisierung erhöhen das Risiko
Digitalisierung spart zwar Arbeit und ist nötig, um in stark dezentralisierten Netzen mit vielen Erzeugern und Verbrauchern Bedarf und Erzeugung auszubalancieren. Sie ist unverzichtbar, um das langsam entstehende Internet der Energie zu steuern, betonte Manuel Gernsbeck, Geschäftsführer der Internet-Energieplattform Bentonet, mit der auch Janitza Electronics zusammenarbeitet.
Nur damit ließe sich beispielsweise genau ermitteln, wie die Ortsnetzverteiler exakt im Tagesverlauf ausgelastet seien. Das ist nötig, um Ressourcenbedarf und Flexibilitätsreserven zu bestimmen. Bisher wird die Last am Ortsnetzverteiler einmal jährlich abgelesen.
Gleichzeitig erhöht Digitalisierung die Angriffsfläche, denn Software ist oft fehlerbehaftet. Deshalb verzichten manche auf konsequente Durchdigitalisierung und Optimierung: In Rosenheim etwa, wo der örtliche Energieversorger der Stadt gehört, hat man Pufferspeicher, etwa Öltanks, und Redundanzen nicht zur Gewinnoptimierung abgebaut, sondern in Schuss gehalten oder gar ausgebaut. Das Netz kann im Notfall auch händisch in einen Inselbetrieb überführt werden. Über eine halbe Million Euro jährlich fließt in Rosenheim in die Netzhärtung.
Effizienz kommt durch Automatisierung, ist aber kein Automatismus
Dazu kommen Sparerfordernisse, worauf Christian Noll, Geschäftsführer der Energie-Effizienzinitiative der deutschen Industrie (DENEFF), in seinem Vortrag hinwies. Bis 2045 soll insgesamt nur noch etwa halb so viel Energie verbraucht werden – Effizienz ist also ein Muss, findet aber vielerorts noch nicht statt.
Dabei lassen IoT-Energieplattformen wie Bentonet durchaus zu, den eigenen Stromverbrauch minutiös zu analysieren. Janitza kann beispielsweise den Verbleib jeder Kilowattstunde dank umfassender Sensorausrüstung und IoT-Plattform bis zu den Einzelgeräten verfolgen. So lassen sich unnötige Stromlecks leichter erkennen und beheben.
Rechenzentren haben für Krisenfälle bei der Stromversorgung Netzersatzanlagen (NEAs). Doch deren einwandfreies Funktionieren ist keinesfalls selbstverständlich. Darauf wiesen in ihrem Referat Frank Strobel, Geschäftsführer PQ Professionals GmbH (PQ steht für Power Quality), und Gerald Fritzen, Key Account und Business Development Manager, Janitza Electronics, hin.
Netzersatzanlagen haben Schwachstellen
Das fange schon damit an, ob die NEA tatsächlich für alle bei Stromausfall zu betreibenden Aggregate ausreiche. Dazu muss die Leistung des Motors stimmen, damit auch Spannungs- oder Leistungsspitzen beim Hochfahren von Aggregaten abgefangen werden können.
Außerdem muss die NEA bei der Inbetriebnahme neuer Betriebsmittel jeweils neu berechnet, möglicherweise erweitert und getestet werden. Wird das vergessen, funktioniert gerade im kritischen Moment vielleicht gar nichts.
Gelegentlich sorge auch ein versotteter Turbosatz oder ein nicht optimales Verhältnis zwischen Luft und Kraftstoff für Leistungsausfälle der NEA im dringendsten Moment. Sei die NEA über mehrere Stunden im Einsatz gewesen, müsse sie grundsätzlich gewartet werden.
Risiken bei Inselbetrieb
Risiken bestehen hinsichtlich der Spannungsqualität im Inselbetrieb. So macht die Norm DIN 61002-4 Rechenzentren Vorgaben für die Spannungsqualität, was die Menge der Oberschwingungen angeht. Denn zu viele Oberschwingungen im Sinus können sich fatal auswirken. Überschreiten sie ein verträgliches Maß, das die Norm bei acht Prozent festsetzt, kann es passieren, dass Aggregate zerstört werden oder einfach abschalten.
Auch mehrfache Nulldurchgänge der Sinuskurven sind eine Quelle für Ärger. Sie irritieren zeitabhängige Abläufe, die über diese Nulldurchgänge gesteuert werden. Das kann beispielsweise zu hohen Schäden an Produktionsanlagen führen.
Die Risiken erhöhen sich, je komplexer und größer Netzersatzanlagen werden. Beispielsweise kann die Kombination mehrerer NEAs zu Skalierungszwecken schlecht gemacht ebenfalls die Sinusschwingungen durcheinanderbringen.
Haftung für Stromausfälle gibt es nicht
Wer haftet, wenn der Strom ausfällt? Michael Weise, Anwalt bei der auf Energiethemen spezialisierten Kanzlei BBH, spricht von einem „hochkomplexen Rechtsrahmen“. Die dezentrale Energieversorgung werde die Situation nicht vereinfachen. Die einschlägigen Vorschriften finden sich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).
Die schlechte Nachricht: Fällt das Netz aus, haftet in der Regel niemand. Das verdeutlicht die Notwendigkeit, sich ausreichend vor Ausfällen zu schützen. Immerhin: Tritt eine kritische Situation ein, versuchen die Provider erst einmal durch eigenes Hin- und Herschalten ohne Einbezug der Kunden die Lage zu stabilisieren.
Schlägt das fehl, dürfen sie zu marktbezogenen Maßnahmen greifen. Hier sieht Weise erhebliches Potential, das aber derzeit nicht ausgeschöpft werde. Gemeint ist, dass gezieltes zeitweises Abschalten der Stromversorgung zwecks Verringerung der Netzlast Unternehmen, die entsprechende Vereinbarungen schließen, vergütet werden könnte.
„Das Potential in den Verteilernetzen bleibt derzeit ungenutzt“, bedauert er. Die wenigen Möglichkeiten, die es hier für große Verbraucher gebe, liefen gerade aus und würden wohl auch nicht erneuert.
KRITIS-Anlagen nicht privilegiert
Hilft alles nichts, wird im Rahmen eines so genannten UFLA (Unterfrequenz-abhängigen Lastabwurfs) diskriminierungsfrei Last an Kreuzungspunkten zwischen Hoch- und Mittelspannungsnetzen abgeworfen. Auch KRITIS-Anlagen, zu denen viele Rechenzentren gehören, genießen zumindest nach heutiger Rechtslage keine eindeutige Präferenz bei der Stromversorgung.
„Die Rechtslage ist hier uneindeutig und muss geklärt werden“, betont Weise. Üblich sei in solchen Fällen rollierendes Abschalten, von dem jeder einmal betroffen sei.
Eine Haftung hat der Gesetzgeber übrigens mit voller Absicht ausgeschlossen. Weise: „Die Stromprovider sollen aktiv handeln, um das Netz in den Griff zu bekommen, statt zu warten, bis das Kind im Brunnen liegt, um eine rechtliche Verantwortung zu vermeiden.“
Fazit:
Rechenzentren genießen in Netzen heute keine Vorzugsbehandlung, nicht einmal solche, die zur kritischen Infrastruktur gehören. Bei Stromausfällen gibt es keine Haftung für Schäden. Gleichzeitig ist die Stabilität des Stromnetzes durch zunehmend dezentrale Versorgung und versäumte Anpassungsmaßnahmen sowie digitale Risiken eher stärker gefährdet als bislang.
Betreiber sollten deshalb sehr auf Dimensionierung und Funktionsfähigkeit ihrer Netzersatzanlage achten. Dazu gehören regelmäßige Wartung und Testläufe unter Schwarzstartbedingungen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass im Ernstfall alles funktioniert.
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