Speicherklassiker HDD Festplatten – alles andere als retro
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Festplatten gibt es seit mehr als 60 Jahren. Auch wenn der Speicherklassiker schon häufiger totgesagt wurde, wird er mehr denn je gebraucht, um die Datenflut des IoT-Zeitalters aufzufangen. Technologische Weiterentwicklungen machen die Laufwerke fit für neue Anforderungen.

Als 1956 die erste Festplatte auf den Markt kam, war das eine Revolution. Bis dahin wurden Daten meist auf Lochkarten gespeichert, deren Organisation extrem aufwendig und zeitraubend war. Nun fasste ein einziges Gerät plötzlich die Daten von 64.000 Lochkarten und erlaubte dank rotierender Magnetscheiben sowie beweglicher Arme mit Schreib-Lese-Köpfen nahezu unmittelbare Zugriffe. Das boten selbst die damals ebenfalls aufkommenden Magnetbänder nicht.
Allerdings war die erste Festplatte ein regelrechter Koloss. Sie brachte mit ihren 50 24-Zoll-Disks rund eine Tonne auf die Waage und hatte Abmessungen von 152 x 172 x 74 Zentimetern. Erst Ende der ’80er-Jahre kamen die heute üblichen 3,5-Zoll-HDDs auf, die sich an der Größe von Diskettenlaufwerken orientierten, damit sie in den gleichen Laufwerksschächten verbaut werden konnten. Der Formfaktor wurde anschließend auch in Servern und Storage-Systemen zum Standard.
Mittlerweile sind 3,5-Zoll-HDDs aus den meisten Rechnern verschwunden oder stecken dort nur noch als günstiger Massenspeicher neben einer Solid State Disk (kurz: SSD) im Gehäuse. Auch die einst für Notebooks entwickelten 2,5-Zoll-HDDs wurden weitgehend von SSDs verdrängt und finden sich inzwischen vornehmlich in externen USB-Laufwerken wieder.
Ein Rekordjahr für die Festplatte
Sowohl Computer als auch Mobilgeräte wie Kameras, Audioplayer und Smartphones sind heute mit Flash-Speichern bestückt. Auch wenn deshalb immer wieder das Ende der Festplatte vorausgesagt wurde, ist der Speicherklassiker aus vielen Geräten und IT-Infrastrukturen nicht wegzudenken. NAS-Systeme und Rekorder für die Videoüberwachung sind fast ausschließlich mit HDDs ausgestattet. Auch in den Rechenzentren von Unternehmen und Cloud-Anbietern tragen HDDs die Hauptlast der Datenspeicherung und werden das auf absehbare Zeit weiterhin tun. SSDs sind schlicht zu teuer und könnten aufgrund der komplizierten Reinraumfertigung nicht annähernd in ausreichender Menge hergestellt werden, um die Datenflut des Informationszeitalters zu schultern.
Neben der voranschreitenden Digitalisierung in Wirtschaft, Forschung und öffentlicher Verwaltung treiben vor allem die vielen vernetzten Maschinen, Geräte und Sensoren des IoT das Datenwachstum an. Zwar werden viele IoT-Daten direkt vor Ort verarbeitet, weil autonome Fahrzeuge oder Produktionsanlagen auf schnelle Auswertungen angewiesen sind, damit sie in Echtzeit auf Ereignisse reagieren können. Für die langfristige Aufbewahrung, weitergehende Analysen und die Korrelation mit Daten aus anderen Quellen erfolgt allerdings meist auch eine Übertragung in Rechenzentren, wo die Daten dann letztlich auf Festplatten landen.
Das enorme Datenwachstum in Cloud- und Core-Rechenzentren spiegelt sich auch im Festplattenmarkt wider, auf dem laut den Marktforschern von Trendfocus im Jahr 2021 erneut 259 Millionen Laufwerke abgesetzt wurden. Diese stellen eine Speicherkapazität von 1,338 Zettabyte bereit – 31 Prozent mehr als noch 2020 und ein neuer Rekord. Nie zuvor wurden Festplatten mit mehr Speicherkapazität ausgeliefert.
Kapazitäten und Leistung steigen stetig
Das Erfolgsgeheimnis von Festplatten sind ihre hohen Speicherkapazitäten zu niedrigen Preisen. In den vergangenen Jahren stieg das Fassungsvermögen von Enterprise-Laufwerken kontinuierlich um etwa zwei Terabyte pro Jahr bei gleichbleibenden Kosten. Möglich machten dies stetige Verbesserungen der HDD-Technologien, auch wenn sich am ursprünglichen Konzept – dem berührungslosen Magnetisieren und Abtasten von Sektoren auf rotierenden Scheiben mit magnetischer Beschichtung – nichts geändert hat.
Durch die Umstellung auf Heliumfüllung konnte die Speicherkapazität von Enterprise-HDDs im 3,5-Zoll-Formfaktor vor einigen Jahren beispielsweise von zehn auf 14 Terabyte gesteigert werden. Helium ist ein leichteres und homogeneres Gas als Luft, dadurch verursacht es beim Drehen der Festplattenscheiben weniger Turbulenzen, was die Verwendung von dünneren Scheiben ermöglicht. Dadurch passten mehr Disks als zuvor ins Gehäuse. Kleinere Schreib-Lese-Köpfe wiederum waren die Basis für dichter geschriebene Bits und einen weiteren Anstieg der Kapazitäten auf 16 Terabyte.
Allerdings haben sich, getrieben durch Cloud-Services und IoT-Anwendungen, auch die Leistungsanforderungen an Festplatten verändert. Es genügt nicht mehr, diese nur für sequenzielle Schreib- und Lesevorgänge zu optimieren, denn für die regelmäßigen Datenzugriffe auf aktive Online-Storages in Rechenzentren müssen sie eine hohe Performance bei zufälligen Zugriffen bieten. Erreicht wurde das mit Optimierungen an der Firmware, durch die Enterprise-HDDs heute je nach Modell über 400 IOPS schaffen. Verglichen mit einer einzelnen SSD ist das wenig, doch einige Dutzend dieser Festplatten in einem Storage-System liefern mehrere Zehntausend IOPS – und damit gleichzeitig hohe Leistung und große Speicherkapazität zu günstigen Kosten.
Neue Aufzeichnungsverfahren für die nächste HDD-Generation
Das in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten als Aufzeichnungstechnologie eingesetzte Perpendicular Magnetic Recording (kurz: PMR) stößt bei 16 Terabyte pro Laufwerk jedoch an seine Grenzen. Mit Shingled Magnetic Recording (kurz: SMR) und Microwave Assisted Magnetic Recording (kurz: MAMR) wurden deshalb neue Verfahren entwickelt, die ein größeres Datenvolumen auf derselben magnetischen Oberfläche unterbringen. SMR schreibt die Datenspuren überlappend – sie sind dann ähnlich angeordnet wie die Schindeln auf dem Dach eines Hauses. Festplatten mit SMR sind bereits seit einigen Jahren verfügbar und stecken unter anderem in Computern, Videoüberwachungssystemen und externen USB-Laufwerken.
MAMR hingegen nutzt Mikrowellen zur Steuerung und Bündelung des magnetischen Flusses am Schreibkopf – bei der aktuellen MAMR-Version spricht man deshalb auch von Flux Controlled MAMR (FC-MAMR). Durch die Mikrowellenunterstützung wird weniger magnetische Energie benötigt, um die Bits auf dem Medium zu kippen, sodass die Schreibköpfe kleiner ausfallen und Daten dichter schreiben können. MAMR-HDDs mit neun Magnetscheiben fassen 18 Terabyte. Ein erstes Modell kam mit der Toshiba MG09 im vergangenen Jahr auf den Markt. Kommende Laufwerke mit zehn Magnetscheiben werden es in Kürze sogar auf 20 Terabyte bringen.
Damit ist MAMR allerdings noch lange nicht ausgereizt. Künftige Versionen sollen mithilfe der Mikrowellen auch das Material der Magnetscheiben aktivieren, sodass noch weniger magnetische Energie benötigt wird, was eine weitere Verkleinerung der Schreibköpfe ermöglicht. Mit diesem Microwave Assisted Switching MAMR (kurz: MAS-MAMR) wird die Kapazität von 3,5-Zoll-HDDs zunächst auf voraussichtlich 22 Terabyte steigen, Experten halten jedoch bis zu 50 Terabyte in einigen Jahren für realistisch. Anders als FC-MAMR, das mit den bestehenden Beschichtungen der Magnetscheiben funktioniert, erfordert MAS-MAMR ein neues, durch Mikrowellen aktivierbares Material. Daran arbeiten die Festplattenhersteller bereits im Labor – ebenso wie an Festplatten mit zwei Festplattenarmen. Damit wird die Schreib- und Lesegeschwindigkeiten verdoppelt.
Diese stete Weiterentwicklung hat dafür gesorgt, dass das Speichermedium Festplatte die Jahrzehnte überdauert hat und auch heute noch gefragt ist. Moderne Technologien wie SMR und MAMR, aber auch Dual-Aktuatoren, machen HDDs fit für die nächsten Jahre mit weiter steigenden Kapazitäts- und Performance-Anforderungen.
Dieser Beitrag stammt ursprünglich von unserem Partnerportal Industry of Things.
* Rainer W. Kaese ist Senior Manager, HDD Business Development bei Toshiba Electronics Europe.
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