Digitale Souveränität Fesselt Abhängigkeit von Digitalimporten deutsche Unternehmen?
Deutsche Unternehmen finden sich laut einer aktuellen Umfrage des Branchenverbandes Bitkom zu abhängig von ausländischen Digitalimporten. Der Verband konstatiert deswegen fehlende digitale Souveränität und fordert statt freier Marktwirtschaft staatliche Initiativen.
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Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbandes Bitkom, an der sich mehr als 1.000 Unternehmen beteiligt haben, sind deutsche Unternehmen stark von digitalen Importen aus dem Ausland abhängig. Danach seien nur 13 Prozent der Firmen, die digitale Leistungen aus dem Ausland importieren, länger als zwei Jahre überlebensfähig, fielen diese Importe weg. Alle übrigen stünden schon früher vor dem Aus, davon 22 Prozent bereits nach maximal einem Jahr.
Aus dem Ausland werden vor allem digitale Endgeräte (77 Prozent), Bauteile/Hardware-Komponenten (66 Prozent), Software-Anwendungen/Module (57 Prozent) und digitale Dienstleistungen (42 Prozent) bezogen. Die Herkunftsländer sind überwiegend Staaten der Europäischen Union (80 Prozent), die USA (74 Prozent) und China (62 Prozent). Japan kommt immerhin auf 32, Großbritannien auf 22 Prozent.
Exportiert werden vor allem Software (19 Prozent) und digitale Dienstleistungen (14 Prozent); Bauteile oder Komponenten als Exportgut nennen nur 12 Prozent der befragten Unternehmen. 72 Prozent der befragten Firmen exportieren überhaupt keine digitalen Güter ins Ausland.
Brexit schadet deutschen Digitalexporteuren kräftig
Gekauft werden deutsche Digitalexporte zu 95 Prozent in der EU, auf dem zweiten Platz liegen die USA und Großbritannien (je 49 Prozent), gefolgt von Indien und China (je 43 Prozent). Die Exporte nach Großbritannien dürften in der Post-Brexit-Periode, die gerade begonnen hat, schwerer werden.
Bei der Auswahl eines ausländischen Geschäftspartners entscheiden wenig überraschend neben technischem Know-how und Finanzbedingungen des Partners (über 90 Prozent) die Rechtssicherheit im Land des Partners und IT-Sicherheitsstandards (jeweils über 80 Prozent). Transparente Lieferketten wünschen sich 60 Prozent.
Auslandsaktivitäten: Risiken inbegriffen
Dass Rechtssicherheit wichtig genommen wird, verwundert nicht: Immerhin die Hälfte der Befragten meint, man gehe beim Auslandsgeschäft bewusst Risiken bezüglich der Politik im Land des Partners ein. 14 Prozent gaben an, dass grundsätzlich die Gefahr von Erpressungen durch Partner oder deren Regierungen bestehe.
Gefragt, welche Länder besonders abhängig von Digitalimporten seien, sahen die deutschen Befragten ihr eigenes Land eindeutig an der Spitze (insgesamt 80 Prozent), mit großem Abstand gefolgt von Großbritannien, den EU-Ländern, Russland und den USA. China dagegen hielten die Befragten nur zu 31 Prozent für vollständig oder eher abhängig von Digitalimporten, was unter anderem mit der Dominanz der chinesischen Chipindustrie zu tun hat.
Am größten ist die Hardware-Abhängigkeit
Dabei wird die Hardware-Abhängigkeit als am größten eingeschätzt (81 Prozent), gefolgt von 5G (71 Prozent), Künstlicher Intelligenz (68 Prozent) und VR/AR (67 Prozent). Weitere sieben Technologien (Quantencomputer, Blockchain, Cloud Computing, Big Data/Analytics, IoT, Drohnen, IT-Security-Technologien) landeten bei über 50 Prozent Nennungen. Bei ERP, ECM (Enterprise Content Management) und CRM (Customer Relationship Management) mit 21 Prozent ist Deutschland nach Meinung der Befragten am wenigsten abhängig.
Dabei gehen 49 Prozent der Befragten davon aus, dass die Abhängigkeit weiter zunimmt, während bei den USA und China der Trend zu mehr Unabhängigkeit gesehen wird. Nach Meinung der Befragten verschärft Corona diese Situation eher.
Der Staat soll es richten
41 Prozent der Befragten fürchten gar, dass der technische Vorsprung anderer Länder für Deutschland nicht mehr aufzuholen sei. Alle Befragten fordern mehr digitale Souveränität. Vor allem wünscht man sich ein stärkeres Auftreten der EU gegenüber China und den USA, und 64 Prozent glauben, Deutschland verhalte sich bei internationalen Handelsstreitigkeiten zu passiv.
Auf dem Weg zu mehr Souveränität finden unter den abgefragten Maßnahmen ein Ausbau der technologischen Fähigkeiten, gezielte Forschungsförderung und die Verhinderung unerwünschter Übernahmen von Technologieunternehmen mit mehr als 90 Prozent die höchste Zustimmung. Dass sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalten solle, findet dagegen nur ein Viertel der Befragten.
Mehr Eigeninitiative nötig?
Die Branche ist allerdings nicht einhellig begeistert vom Ruf nach staatlichen Interventionen. VNC AG etwa, ein schweizerisch-deutsch-italienisches Software- und Beratungsunternehmen, sieht die Branche selbst in der Pflicht, beispielsweise etwas für die Breitbandversorgung zu tun.
Andrea Wörrlein, Geschäftsführerin der VNC AG, sagt: „Das jüngste Bitkom-Papier ,Nachhaltig, souverän, resilient: Deutschlands digitale Dekade‘ wiederholt alte Muster. Es erschöpft sich in einem umfassenden Forderungskatalog an staatliche Institutionen: mehr Fördermittel, mehr Programme, mehr Gremien, weniger Regulierung.“
Robuste, ausfallsichere IT-Infrastruktur könne jedoch nur mit einem hohen Anteil von Technologie und Software aus Deutschland und Europa samt eigenem Hosting und Personal erreicht werden. „Bei der Entwicklung und Umsetzung der digitalen Souveränität Deutschlands und Europas steht die IT-Branche selbst in der Pflicht und darf sich nicht in einen Forderungscodex flüchten.“
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